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findungsreichthum in Compostition
und in Ornamenten künstlerisch
befriedigt. Bei Leopold Burger’s
ehrlich und mit ausgesprochenem
Formensinn wiedergegebenen Land-
schafts- und Porträtstudien be-
dauern wir, dass sich der Künstler
von einem harten Nebeneinander
der Farben nicht trennen kann.
Marie Egner strebt in ihrer
»Marchfelder Mühle« mit bestem
Erfolge L. Dettmann nach. Ein
ganz reizvolles, farbenfreudiges
Bildchen. Luigi Bazzani hat
wieder einige seiner meisterhaften
Architekturbilder beigesteuert. Einen
besonders werthvollen Theil der
Ausstellung bilden die Beiträge
des Künstlerbundes Karlsruhe. Hier
finden wir Namen wie Carlos
Grethe, Franz Hein, Graf
Kalkreuth, Heinrich Kley,
Gustav Schönleber, Robert
Pötzelberger, Friedrich Kall-
morgen, Heinrich Heyne durch
Arbeiten vertreten, welche von
dem reichen Kunstleben dieses
deutschen Centrums eine Vor-
stellung erwecken, die geeignet
ist, unseren Neid hervorzurufen.
G. S.
Moriz von Egidy. Am
27. Jänner 1898 haben einige
Wiener die Bekanntschaft mit
Moritz von Egidy machen können.
Wir sassen im Saale des »Hotel
Continental« und sagten uns an-
fangs: Nein, er spricht zu preussisch,
er knirscht mit den Zähnen wie
ein rasender Cavallerieofficier, er
commandirt uns seine ernsten
Gedanken. Wir hatten anfangs
das Bedürfniss nach einer weniger
strengen Gesinnungsdisciplin. Das
kommt daher, weil die Leute,
welche keine Versammlungsbrüller
sind, bisher als einzigen Reiz der
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Politik ihren psychologischen Odeur
genossen haben. Das Amüsante,
das Bemerkenswerthe an unseren
Politikern war bisher stets nur
die geschickte Manier, in der sie
ihr Programm verriethen. Das
stillschweigende Uebereinkommen
unter allen Politikern heisst: Wir
glauben nicht an unsere Meinun-
gen, wir verachten diese primi-
tiven Axiome Und nun kommt
mit einemmal ein Oberstlieutenant
a. D., der einen organischen Zu-
sammenhang zwischen seinen ganz
privaten und seinen öffentlichen
Anschauungen zeigt, Einer, der
seine öffentlichen Meinungen glaubt,
seine einsamen, ernsten Gedanken
hinauswirft in die Welt, und der
also voll menschlichem, wahrem
Schmerz aufschreit, wenn ein
Fremder diese Anschauungen zer-
reissen möchte. Mit einemmale
verlieren wir alle psychologischen
Liebhabereien, ein deutliches, un-
zweifelhaftes »Ja« löst sich in uns
los. Wir geniessen — end-
lich! — das Glück, einen
Mann ohne alle Opportuni-
täten aus sich heraus reden
zu hören. Moritz v. Egidy ist
vielleicht der einzige Deutsche im
öffentlichen Leben, dem wir ein
solches Schauspiel verdanken dürfen!
st. gr.
Dreyfus. Ein Mensch ist mög-
licherweise zu Unrecht verurtheilt
worden. Das ist sehr traurig für
seine Angehörigen, beschämend
vielleicht für den Vertheidiger. Aber
wir Zuschauer wüssten diesen Justiz-
mord zu verdauen. Haben wir
nicht gestern von den mörderi-
schen Schwefelgruben Siciliens ver-
nommen und ihre Opfer am nächsten
Tag vergessen? Haben wir nicht
soeben von Folterungen, von zweifel-
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