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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 12, S. 448

Text

448 KIPLING.

Doch das Alles ist vorüber, weit entfernt und lange her,
Von der »Bank« nach Indien leider geht kein Omnibusverkehr;
Und ich weiss warum die Alten immer jammern, immer schrei’n:
Hat der Osten dich gerufen, kannst du nicht mehr glücklich sein.
Nein, ich kann nicht glücklich sein,
Fällt die würzige Luft mir ein
Und die Palmen und die Glöckchen und der starke Sonnenschein.
Dort am Weg nach Maudalay u. s. w.

Ach, wie brennt mir durch die Sohlen hier der rauhe Pflaster-
stein!
Ach, wie haucht mir Englands Nebel kaltes Fieber ins Gebein!
Mit fünfzig Dirnen mindestens am Strand in Chelsea ging
ich schon,
Die schwatzten auch von Liebe: doch was verstehen die davon?
Rindfleischwangen, roth wie Mohn, —
Ja, was wissen die davon?
Fern in reinem, grünern Landen fand ich süssern Liebeslohn,
Dort am Weg nach Maudalay u. s. w.

Schickt mich ostwärts, über Suez, wo wir alle gleich an Werth,
Wo nicht zehn Commandos schelten, wo die Sehnsucht auch
nicht zehrt.
Horch! Die Tempelglocken rufen — und ich möcht’ gern
dorten sein,
Wo der alte Moulmein-Tempel blinzelt trag ins Meer hinein;
Dort am Weg nach Maudalay,
Liegt die Flotte Reih’ an Reih’.
He! Hoiho! Auf Deck die Kranken!
Denn wir sind in Maudalay.
O, am Weg nach Maudalay
Spielt der Flugfisch, jagt der Hai,
Und der Tag, von China dämmernd, streut ein Blitzen durch
die Bai.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 12, S. 448, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-12_n0448.html)