Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 13, S. 520

Text

520 NOTIZEN.

Vive Montmartre! Von
K. E. Schmidt. Verlag Gebrüder
Knauer, Frankfurt a. M. Mit einem
Titelblatt von Ch. Léandre.

Erstens ein verlockender Titel.
Zweitens ein verlockender Autor,
sozusagen: ein Stammbürger von
Montmartre, drittens ein ver-
lockendes Titelblatt.

Die Deutschen in Paris gehören
zu dem besten Europäerthum, vom
Reichskanzler Hohenlohe an, der
seinen ständigen Wohnsitz in Paris
hat, bis zu K. E. Schmidt, der
nach jahrelangen Weltreisen in
Montmartre gelandet ist, um mit
Léandre, dem genialen Zeichner
des »Rire« oder Carabin, dessen
Serpentinentänzerinnen wir in der
Secession bewundern, allabendlich
im Café de la nouvelle Athènes
seine Schachpartie zu spielen. —
Die Schilderungen von K. E.
Schmidt sind in Hemdärmeln
geschrieben, ungezwungen, frisch,
thatsachenreich, manchmal lang-
weilig, öfter sehr gernüthlich. Nichts

von verlogener Quartier-latin-
Romantik, ein aufrichtiges, nicht
gerade tiefes Buch, woraus man
aber ganz Montmartre kennen
lernt. — Wieso es kommt, dass
dieses unterhaltsame Buch in
einem etwas schwerfälligen, vier-
eckigen Deutsch geschrieben ist,
kann nicht recht erklärt werden.
Der Autor, ein Bummler über die
ganze Welt, hat im Leben ein
leichtes Herz. Wie sollte sich
aber ein Lebenskünstler zum Sprach-
künstler degradiren? Auch die
Themen, von Montmartre ge-
nommen, sind keine tragischen.
(Auf Montmartre sind auch die
»tragischen« Themen nicht tra-
gisch.) Ihre sachliche Heiterkeit
wird uns ja auch durch Schmidt
mitgetheilt. Wenn die Sachen sti-
listisch nicht so leicht sind, so
wird es vielleicht nicht am Autor
liegen. Es lässt sich im Deutschen
überhaupt nicht leicht über Mont-
martre schreiben.

st. gr.



Herausgeber: Gustav Schoenaich, Felix Rappaport.

Verantwortlicher Redacteur: Gustav Schoenaich.

K. k. Hoftheater-Druckerei, Wien, I., Wollzeile 17. (Verantwortlich A. Rimrich.)

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 13, S. 520, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-13_n0520.html)