Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 15, S. 594

Die Probezeit des Burgtheater-Directors (Schik, F.)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 15, S. 594

Text

594 SCHICK.

Director Schlenther mit Hamlet zurufen kann: »Wirtschaft, Horatio,
Wirtschaft!«

Gewiss wäre niemand imstande gewesen, eine vollendete Reor-
ganisation in fünf Monaten zu bewerkstelligen. Es war von vorneherein
klar, dass man aus den ersten Schritten des neuen Directors nur die
Richtung, die er einzuschlagen, und die Mittel, die er zu wählen
gedenke, würde constatieren können. Es handelte sich vorläufig nur um die
Anbahnung, nicht um die Durchführung von Reformen. Wer schon
in dieser kurzen Zeit systemlos vorgegangen ist, dem dürfte es schwer
werden, in der Folge zu genügen.

Für eine achtjährige Probezeit aber, wie sie Herr Burckhard
ablegte, hat das Burgtheater in dem Zustande, wie dieser es zurück-
gelassen, keine Tragkraft mehr.

Die provisorische Berufung des Herrn Schlenther mag den löb-
lichsten Intentionen entsprochen haben; nun wir ihn durch mehr
als vier Monate am Werke gesehen, würde ein Definitiv werden seiner
Directionsführung darauf schliessen lassen, man habe sich mit der Idee,
dass ein Hoftheater zweiter Güte für Wien genüge, abgefunden.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 15, S. 594, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-15_n0594.html)