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BURGTHEATER.
»Der Vielgeprüfte«, Lust-
spiel in drei Acten von Wilhelm
Meyer-Förster, ist vom Wiener
Publicum abgelehnt worden. Es
war dasselbe Zischen, das auch
Meyers »Böse Nacht« seinerzeit
hinwegfegte. Die beiden Durch-
fälle beweisen höchstens, dass man
sich bei uns für die Seelenzustände
deutscher Philister und für die
Sensationen, die das Leben einer
norddeutschen Kleinstadt auf-
wühlen, nicht interessiert; sie be-
weisen aber nichts gegen die Ge-
staltungsfähigkeit und Beobach-
tungsgabe des Verfassers. Das
Publicum, das noch am Stoffe
hängt, wusste zwischen der Klein-
stadt eines Benedix, der mit Be-
hagen in ihr lebt, und der des
modernen Autors nicht zu unter-
scheiden. Meyer hält auch dies-
mal wieder die Technik fest, dass
er die Aufregung, in die die Be-
wohner des Nestes gerathen —
damals war ein Duell, heute ist
ein Examen das Motiv — mit all-
zuferner Objectivität hinstellt. So
erweckt er zuweilen den Anschein,
als ob er selbst zum Philister
würde, und geht mit ermüdender
Pedanterie dem Schicksale seiner
Figuren nach. Herr Schlenther hat
einen so ehrenvollen Durchfall nicht
verdient. Für Philister besitzt das
Burgtheater hinreichend Darsteller.
Auf diesem Boden vermag sich die
niedere Komik der Herren Schöne,
Thimig und Römpler willkürlich
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auszubreiten. Einen nicht recht
passenden, raffinierten Ton brachte
Frau Mitterwurzer in diese Gesell-
schaft. Die sonstigen Leute —
Frau Schmittlein etwa ausgenom-
men — spielten so, als ob sie in
der Provinz nicht als Figuren des
Stückes, sondern als Schauspieler
zu Hause wären.
DEUTSCHES VOLKSTHEATER.
»Im weissen Rössl«. Schwank
in drei Acten von Blumenthal
und Kadelburg.
Solange das Publicum sich bei
derlei Erzeugnissen unterhält, ist
eine Niveauhebung unserer Theater
nicht zu erwarten. Die Knallerbsen-
dramatik macht die Zuhörer taub
für die feinen Wendungen litera-
rischer Stücke und verdirbt modern
veranlagte Schauspieler für höhere
Aufgaben. Leute wie die Verfasser
des »weissen Rössl« wirken auch
auf die vorhandenen dramatischen
Meisterwerke verheerend. Wahrlich
die Zustände in der Welt sind keine
solchen, dass wir uns ohne Gefahr
soweit von dem Kern der Dinge
weglocken lassen dürften. Würde
Herr Girardi einen Band fliegender
Blätter vorlesen, die Lachsalven im
Publicum wären gewiss noch stärker.
Zum Glück waren die übrigen Dar-
steller recht schwach, so dass die
Wiederholungen des seichten Mach-
werkes weit hinter der Zahl der
Berliner Aufführungen zurückblei-
ben werden.
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