Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 943

Künstlerhaus (Schölermann, Wilhelm)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 943

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KÜNSTLERHAUS. 943

Pettenkofen hatte eine instinctive Scheu vor dem Ausstellen, so lange
er lebte. Nun auf einmal hängt alles beieinander. Eine merkwürdige
Ironie. Aber Hut ab vor solchem Meister.

Neben diesem »Kleinmeister« wirken die grossen Representations-
bilder aus den Gallerien wie Blechmusik. Aber es sind blendende
Sachen darunter. Schade um den Riesenfleiss und all das Können!
Ein solches Exemplar fiel mir auf, seines Inhalts wegen ist es mehr
von historischem als künstlerischem Interesse. Sein Titel lautet:
»Ferdinand II. weist die protestantischen Bürger Wiens mit ihrem
Begehren um Sicherung der Religionsfreiheit zurück«. Das thut hier
der Kaiser Ferdinand in der That und zwar mit einer überlebensgrossen
Geberde. Bei diesem Bilde kann man nachdenklich werden, bis es
einem vor lauter Beichtvätern ganz schwarz vor Augen wird. Armes
Österreich!

Zwei Namen sind stark vertreten aus jener Zeit, da die Menschen
»in Gefühlen machten«. Grottger ist das stärkere und tiefere Talent.
Mich hat er mehr gefesselt, als ein moderner Mensch zugestehen
dürfte. Bei den Aquarellen von Fendi weiss man nicht, ob man
lachen oder weinen soll. Fendi hat Schiller »illustriert«, sogar die
unsterbliche »Glocke«. Für dieses Gedicht verliert der Knabe in Deutsch-
land schon in der Schule die Fähigkeit des Genusses. Aber eine solche
Verhöhnung kann denn doch den friedliebendsten Deutschen in Harnisch
bringen. Bei Jugendsünden, wie »Ritter Toggenburg«, »Laura am
Clavier«, »Gang nach dem Eisenhammer«, lässt sich gegen diese
Malerei eigentlich kaum etwas einwenden. Aber die ganze »Glocke«
mit einem derartigen Himbeeressig übergiessen, das halten denn doch
halbwegs empfindliche Geschmacksnerven beim besten Willen nicht
aus! Wie von einem Anfall von Seekrankheit gepackt, wankte ich
hinaus.

An Schindler kann man sich wieder gesund sehen. Auch
Hörmann ist da, der gute, ehrliche Hörman. Hier, so dicht beisammen,
sieht man aber doch den Abstand der beiden und ihren Rangunterschied.
Hörmann war eine kerntreue Seele voll Liebe zur Wahrheit. Er ist
der Vorkämpfer der Wiener Secession gewesen, die ihm ein dankbares
Andenken bewahrt. Emil Jacob Schindler, der geistvolle, feingebildete
Wiener »vom alten Schlage«, ist die weitere und vollere Persönlichkeit,
die keiner Partei angehört, weil sie über den Parteien steht, in keiner
Richtung malen kann als in ihrer eigenen. Nur wenn eine Stimmung
ihn überkam, malte er, »vollendete sich nach oben«. Solche Künster
machen keine Richtungen, nur Kunstwerke. Nach Schindler und Hör-
mann hat Wien geborne Landschafter nicht mehr gehabt. Einen hat
es jetzt wieder; aber er ist noch unbekannt. Er gehört der neuen Zeit
an und — gehört zur Secession. Sein Name ist Adolf Boehm.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 943, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-24_n0943.html)