Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 942

Künstlerhaus (Schölermann, Wilhelm)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 942

Text

942 SCHÖLERMANN.

Ein Mensch, in dem das Grundwesen eines Volkes Gestalt und
Ausdruck findet, muss nothwendig abseits von den bewegenden Tages-
strömungen stehen. So flüchtete Schwind in die zeitlose Vergangenheit
und gab uns dafür sein deutsches Märchen. Dieser Mann, dem
sein Freund die Frage stellte, ob er an Feen und Heinzelmännchen
glaube, antwortete ganz verwundert: »Liebst Du sie denn nicht?«
Mag die Erzählung wahr sein oder nicht, sie könnte es wenigstens
sein. Dort war seine Welt, an die er glaubte Für das Kunst-
gewerbe und die Illustration hat Schwind mehr gethan als die meisten
Nachfolger. Auch hier sprudelte seine Phantasie ohne fremde Einwirkung
am natürlichsten in dem anmuthigen Schwung der rhythmisch ausge-
bildeten Linie. Für die Farbe müssen wir andere aufsuchen.

Makart. Angebeteter und schnell Vergessener! Hat man je
einen schöneren Sonnenuntergang gesehen, wie Markart einer war?
Ist sein Name nicht mit Wien und den Wienern verknüpft, noch zu
einer Zeit, da in rauschendem Festglanz die Sonne nicht erst unter-
zugehen brauchte, um auf seiner Palette einen letzten, leuchtenden
Strahl zu hinterlassen? Mag man über ihn denken, wie man will, ein
Künstler bleibt Makart doch. Dem Wiener Boden seine treueste
Gestalt zurückspiegelnd, zog er aus ihm seine sieghafteste Kraft.
Und wenns nur wäre um seiner malerischen Unbefangenheit willen,
um seiner Freiheit von allem Gedanklichen, Philosophischen, Tiefen,
Unmalerischen müsste man ihn lieb haben. Eine schönheittrunkene
Kunst, die tief hinabtaucht in die Glut der Farbe, an der sie sich
dämonisch berauscht — was kümmern sie die »Gedanken«? Wenn
er ein Weib malte, war es ihm die Verkörperung aller Herrlichkeit
der Welt. Er malte das Weib, weil er es liebte. In schaffender Liebe
entstanden seine Werke. Seine »Fünf Sinne« zieren die Schmalwand
des grossen Saales, wo ihnen ein helleres Licht zu theil wird, als in
ihrem Heim, dessen Besitzer (Herr Miethke) sie freundlichst hergab.
Hier kann man sich überzeugen, dass die grausigen Geschichten von
der Zerstörung der Makart’schen Bilder eitel Übertreibungen sind, die
Superklugheit in die Welt hinausposaunt hat. Wo er, wie hier, prima
gemalt hat, ist alles noch klar, leuchtend und fest. Nur wo er über-
malte, kommen die Risse zum Vorschein. Die Bilder Hans Makarts haben
noch eine längere Lebensfrist, als ihnen vielfach prophezeit wurde.

Von dem vielgepriesenen Friedrich Gauermann sind eine
Menge Bilder da. Die Kunstwerke zu nennen, fehlt mir die ausreichende
Dosis Localpatriotismus.

Aber Waldmüller, das war ein Eigenständiger. Dafür müsste
er auswandern. Er war wohl der erste nicht und wird auch nicht der
letzte gewesen sein. Wie anderswo, soll es ebenfalls in Wien eine
Akademie der bildenden Künste geben, wo die Schönheit schon zu
Waldmüllers Tagen nach Paragraphen wohl einstudiert ward. Aber
wir sprechen hier von Kunst.

Also Pettenkofen. Selten wird man seine vornehme Palette
zu studieren bessere Gelegenheit haben als jetzt im Künstlerhause.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 942, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-24_n0942.html)