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Da düstere Wolken der untergehenden
Sonne Schönheit verleihen, sollten wir
die köstlichen Erzählungen, in denen uns
Constantin Christomanos die Kaiserin von
Österreich zeigt, mit den Mysterien und
Schmerzen Ihrer Majestät umgeben. — —
— — — — — — Und der Tod ver-
leiht dieser Seele, die von erbitterten
Schicksalsschlägen wie ein seltenes Ma-
terial bearbeitet wurde, den erhabensten
Zauber.
Diese Kaiserin, die ihr ganzes Leben
lang einzig und allein bestrebt war, sich
zu veredeln und die Grenzen ihrer Träume
zu erweitern, sie, die gleichsam durch
ihren vorgehaltenen Fächer, durch stete
Flucht und stillschweigenden Vorbehalt
ihr ganzes Leben lang das Meisterwerk
verbergen konnte, zu dem sie sich selbst
gebildet, sie werden wir unmittelbar sehen,
so sehen, wie sie in der Erinnerung eines
jungen Dichters verblieben, der durch
Temperament und Umstände dazu ge-
schaffen ist, Schönheit nachzufühlen.
Christomanos erinnert sich, dass ich
es versucht habe, die Methode zu be-
schreiben, wie man unsere Empfänglichkeit
schaffen und lenken könne. Die Kaiserin,
sagt er mir, war gütig genug, an diesen
kleinen Romanen, die er ihr vorlas, Gefallen
zu finden; er denkt mit Recht, dass ich in
seiner lyrischen Analyse dieser Herrscherin,
die nie ein anderes Reich als ihr inneres
Leben gewünscht, den reichsten und poe-
tischesten Beitrag zur Ich-Cultur finden
würde. Ich werde später eingehender darauf
zurückkommen. Man muss vor allem
dieses Werk lesen, aus dem die Phantasie
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des Lesers ganz von selbst überreiche und
wundervolle Deutungen gewinnen wird.
Die Kühnheit und die bittere Ironie,
der unbesiegbare Abscheu vor allen Dingen,
das stete Todesgefühl und selbst jene
ästhetische Kindlichkeit einer Melancho-
likerin, die sich zu betäuben sucht, machen
in meinen Augen diese Ideen und Em-
pfindungen Elisabeths von Österreich zu
einem so seltsam nihilistischen Gedicht,
wie es in unseren Zonen niemals durch-
lebt wurde. Es scheint, als hätten in dieser
bayrischen Prinzessin orientalische Blitze
die Kraft ihrer Träume erregt. Jener
skeptische und fatalistische Zug, jene ab-
solute Verachtung der irdischen Dinge,
jene stete Contemplation oder vielmehr
jene constante Gegenwart des Ideals deuten
auf eine glühende und blasierte Seele, aber
von einer so ästhetischen Art, wie ich sie
nur bei jenen unvergleichlichen persischen
Sufis finden kann, die in steter Vertraulich-
keit mit dem Tode durch die Welt eilten.
Und jene Lust der Sattheit, in welche
sich die Kaiserin mit so schmerzlichem
Wohlgefallen verbohrte, erinnert an ge-
wisse geheimnisvolle Träumer der asia-
tischen Throne.
Selbstverständlich meine ich nicht,
durch diese Andeutungen eine Erklärung
zu geben; gleichwie aber eine Melodie
uns oft in eine Landschaft versetzt, so
erinnert die Atmosphäre schweigsamer
Zurückhaltung und seltsamer Empfindlich-
keit, die um die Kaiserin webt, an jene
Höfe des Ostens, wo die eintönigste Philo-
sophie des Nichts inmitten von Tragödien,
die sie rechtfertigen, oft gar muthwillig
ihre Weisheit offenbart.
Gewiss, wir kannten bereits diese schönen
Gedanken! Alle grossen Dichter haben unter
der Banalität des Jahrhunderts also ge-
litten; sie fühlten sich zum mindesten von
der Sehnsucht nach einem höheren Ideal
beseelt; sie empfanden die nämliche Ab-
neigung gegen die stumpfen und kurz-
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