Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 19, S. 441

Dichtungen nach Baudelaire (George, Stefan)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 19, S. 441

Text

DIE BLUMEN DES BÖSEN

VON CHARLES BAUDELAIRE
UMDICHTUNGEN

VON STEFAN GEORGE
DER ALBATROS.

Oft kommt es, dass das Schiffsvolk zum Vergnügen
Die Albatros, die grossen Vögel, fängt,
Die sorglos folgen, wenn auf seinen Zügen
Das Schiff sich durch die schlimmen Klippen zwängt.

Kaum sind sie unten auf des Deckes Gängen,
Als sie, die Herrn im Azur, ungeschickt
Die grossen weissen Flügel traurig hängen
Und an der Seite schleifen wie geknickt.

Er, sonst so flink, ist nun der Matte, Steife,
Der Lüfte König duldet Spott und Schmach;
Der eine neckt ihn mit der Tabakspfeife,
Ein anderer ahmt den Flug des Ärmsten nach.

Der Dichter ist wie jener Fürst der Wolke,
Er haust im Sturm, er lacht dem Bogenstrang,
Doch hindern drunten zwischen frechem Volke
Die riesenhaften Flügel ihn am Gang.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 19, S. 441, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-19_n0441.html)