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Das Bruckner-Denkmal im Stadt-
park. — Aus den Steinen, die man ihm
zeitlebens statt des Brotes gereicht, hat
man nun auch Brucknern ein Denkmal
gemeisselt. Die Denksteine reiten heute
schnell, viel schneller als die Todten.
Kaum drei Jahre unter der Erde — und
schon wird die Unsterblichkeit wattiert,
auf dass sie nicht erfriere. Grotesk wie
diese Eile scheint mir der Huldigungshügel,
aus dem der Stein hervorwächst: mit
gelben, rothen, blauen, giftgrünen Seiden-
bändern, mit Goldtroddeln, Fransen,
Bronzelettern garniert, schichten sich die
Lorbeer- und Farrenkränze, die man aus-
gesandt, auf dass sie vor dem »Ehren-
mitgliede«, »grossen Landsmann‹, »un-
sterblichen Componisten«, ›Chormeister‹
etc. etc. sängerfestlerisch Reverenz machen.
Von den grossen, breiten Bäumen, die
das Denkmal im Halbkreis umgeben, sinken
unaufhörlich gelbe Blätter auf das saftige
Grün der Kränze, die frisch wie das Leben
scheinen Einige Schritte nach rückwärts,
dem Denkmal just gegenüber, ringt sich
eine mächtige Trauerweide am Rande des
Stadtpark-Tümpels zwischen Schwänen
empor — und von Herbstnebeln gespiegelt,
mischt sich mit der Wehmuth des Platzes
die Coulissenluft der bunten Kränze, dass
man die Schellen fast läuten hört
Der Senatorenkopf Bruckners ist von
Tilgner auf das glücklichste geformt.
Die Lippen kaum geöffnet, die Finger
der linken Hand in leichter Krümmung
gehoben, die Augen trüb verschwimmend
— —: das ist das Staunen des Schöpfers,
das Lauschen tief nach innen Ohne
Schwulst, ohne Apotheose, ohne die
gleichsam gusseiserne »Inspiration‹ jenes
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stereotypen Friseurkopfes, der allenthalben
auf den öffentlichen Plätzen der deutschen
Städte irgendeinen »Geistesheros« in Ver-
zücktheit zu repräsentieren pflegt. Viel-
mehr ist in dieser malachitgrünen kleinen
Bronze die eindringlichste Kraft durch
schlichte Verseelung zu reinstem Ebenmaass
gebändigt.
Umso befremdlicher muss es berühren,
dass einem Bildhauer Friedrich Zerritsch
gestattet wurde, die Schöpfung Meister
Tilgners nach Tapeziererart zu verun-
reinigen. Der glatte, weisse Obelisk, den
er hinzucomponiert hat, ist in den Schau-
fenstern der Seifenhandlungen schon mehr-
fach zu sehen gewesen. Zudem schuf er
noch eine »ideale« Rückenfigur aus blendend
weissem Marmor (nenn’ sie: Genius, Psyche,
Muse —just wie Du Lust hast, Wanderer),
die trotz der winkeligen Beinstellung äusserst
»feinsinnig« modelliert ist, aber in ihrer
schaalen Glätte nur ein Gemisch aus
Talg und Zucker scheint. Süsses Wiener
Mädel, was suchst du bei Anton
Bruckner? Sollst Du ihn, soll er Dich
commentieren?
Neben dieser Zierfigur, die den grössten
Beifall findet, sei hier das Missverhältnis
der geflickten Composition hervorgehoben,
die das Tilgner’sche Hauptwerk von einem
vierfach grösseren, völlig heterogenen
Unterbau stützen und — erdrücken lässt. Im
übrigen aber: Was sollen uns heute noch
jene ewigen Allegorien mitsammt ihren
Emblemen, Lyren, Lorbeer- und Feigen-
blättern? Man charakterisiert nicht mehr
durch mythologische Abstractionen, die
sich ihrerseits erst durch Requisiten ligiti-
mieren müssen. Das war niemals Antike
und hat heute aufgehört, Gymnasium zu
sein.
ANTON LINDNER.
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