Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 23, S. 537
Text
VON MAURICE MAETERLINCK
PARIS
TREIBHAUS.
O Treibhaus inmitten des Waldes
mit deinen stets geschlossnen Thüren
Und was deine Kuppel Alles birgt!
Dinge, die mich an meine Seele mahnen:
Die Gedanken einer Prinzessin, die Hunger quält,
die Verzweiflung eines Seemanns in öder Wüste,
Trompetenmusik an den Fenstern von unheilbar Kranken.
Geht in die schwülsten Winkel!
Dort meint man, es liege ein Weib in Ohnmacht an einem heissen Schnittertag,
Postillons durchlaufen den Hof des Hospizes;
fern geht ein Krankenwärter vorbei.
O seht, seht im Mondenlicht!
„Nichts ist an seinem Platze!“
Man meint, eine Wahnsinnige steht vor den Richtern,
ein Kriegsschiff passiert, die Segel gebläht, den Canal,
Nachtvögel wiegen auf Lilien,
ein Todtenglockenschlag um Mittag,
ein Krankenzug in der Wüste,
ein Ätherduft an einem Tag voll brennnender Sonnenglut
Mein Gott, mein Gott, wann kommt Regen,
Schnee und Wind in das Treibhaus!
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 23, S. 537, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-23_n0537.html)