Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 22, S. 513
Laus Veneris III. (Swinburne, Algernon Charles)
Text
VON ALGERNON CH. SWINBURNE
UMDICHTUNG
VON HEDWIG LACHMANN
III.
Ihr Haar umfloss sie bis herab ans Knie.
Mit leicht erhobnem Finger streifte sie
Im Gehn das Gras. O Gott, wie tief errieth
Ich ihres Leibes heimliche Magie!
Im Halmgewoge nahte sie sich mir,
Mit blinden Lippen fühlte ich nach ihr,
— Die ohne Wink mich stumm zu sich beschied —
In meinem Leib den Stachel ihrer Gier.
O Du! Steh’ auf, für mich zu zeugen und
Versiegle mir mit Deinem Kuss den Mund,
Damit vor meiner Sünde Seligkeit
In Wahnsinn nicht entbrenne, wem sie kund.
Doch ward’ ich schwach allmählich von Genuss,
Von Wohlgerüchen und dem trägen Fluss
Der schweren, unveränderlichen Zeit.
In meiner Liebe welkem Überdruss,
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 22, S. 513, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-22_n0513.html)