Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 22, S. 514
Laus Veneris III. (Swinburne, Algernon Charles)
Text
Da heiss auf meiner Brust lag Deine Hand,
Sah Gott auf mich herab und brach mein Band,
So dass ich aufstehn konnte, Dir entrafft,
Und aus dem Jrrgang in die Helle fand,
Wie Einer wirren Sinnes, der vergass,
Was er gewusst und was er einst besass.
Da traf ich Volk auf frommer Wanderschaft
Nach Rom um seiner Sündigkeit Erlass,
Und gieng mit seinem Zuge tagelang,
Doch sprach mit Keinem auf dem weiten Gang,
Geblendet und betäubt vom grellen Licht,
Und hörte staunend Lob= und Bittgesang.
Da, wie der Hölle Vorbezirk, stieg nackt
Aus jäher Kluft ein Felsreich, wild zerhackt,
Empor, um dessen Schroffen eine Schicht
Von weissen Flammen lag, schwertspitz gezackt.
Wir, voller Graun, wie vorm Verderber, flohn
Zur guten Stadt, wo Gott sich einen Thron
Errichtet und dort Jedem nach Gebür
Gerechte Strafe kündet oder Lohn.
Und Alle kamen, um vor ihm zu knien,
Dem Macht zu Bann und Freispruch ward verliehn,
Und der die Schlüssel hat zur Himmelsthür,
Und Keinen liess er ungetröstet ziehn.
Da sank auch ich hin, also sprechend: „Grell
Wie Blut ist meine Schmach. Kein Gnadenquell
Tilgt meiner Makel schwarze Hässlichkeit.
Wird je von Flecken rein ein Pantherfell?“
„Bleicht des Äthiopen Haut? Ich, Gottes Knecht,
Bespie sein Bild und habe mich erfrecht
Zu Schimpf, so ruchlos und vermaledeit,
Dass er ihn nun mit Geisselruthen rächt.“
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 22, S. 514, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-22_n0514.html)