Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 21, S. 511

Zur Psychologie des Hellsehens Carl du Prel: Die Magie als Naturwissenschaft (Deinhard, LudwigGraevell, Harald van Jostenoode)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 21, S. 511

Text

BÜCHER.

Kenntnis des ganzen Berges weiterzu-
helfen. Willig vertrauen sie sich seiner
Führung an und lassen sich gerne belehren
über all das Wunderbare, das sich nun
in diesen erhabenen Regionen ihrem Auge
erschliesst Unten aber, auf der Land-
strasse, wandelt die Menge bedächtig
weiter, und wenn die höher Gestiegenen

dieser hinunterrufen, es fänden sich auf
ihrem Bergpfade Führer und es sei da oben
eine wunderbare Hochgebirgs-Vegetation,
so glaubt ihnen kein Mensch, weil man
fest überzeugt ist, dass dort oben über-
haupt keine Pflanzen mehr fortkommen,
und wo sollen aus diesen Schnee- und
Eisregionen die Führer herkommen?

BÜCHER.

Die Magie als Naturwissenschaft.
Von Carl du Prel. II. Jena, Coste-
noble 1899. — Das neue Werk des
nun entschlafenen Münchener Philosophen
ist zur Einführung in die interessanten
Probleme recht geeignet. Dem Kenner
bietet es nichts eigentlich Neues. Du
Prel hat — ich weiss nicht warum — die
indische Psychologie gar nicht berück-
sichtigt, obgleich die Brahmanen doch
gewiss am tiefsten in jenes geheimnisvolle
Reich hinabgetaucht sind. Ohne innere
Selbsterfahrung kommt man aber hier
nicht weiter. So sind denn auch manche
Schlüsse du Prels nicht ganz richtig. Da
er von der Magie als Naturwissenschaft
spricht, hätte er die ganze Lehre vom
Äther, vom Astrallicht, bringen müssen.
Er nimmt einen »Astralkörper« an.
Aber dieser Astralkörper lebt in seinem
Elemente, wie jedes Thier in seinem ihm
zuträglichen Elemente existiert; sein
Lebenselement ist eben die Astral-Ebene.
Das Wesen dieses, uns mit den ge-
wöhnlichen Sinnen unzugänglichen Astral-
gebietes hätte gezeigt werden müssen.
Statt dessen schiebt du Prel Alles, was
ihm über die Sinnenwelt erhaben erscheint,
dem transcendentalen Unbewussten der
Individualseele zu. Er huldigt zu sehr
dem subjectiven Element und wird daher
dem objectiven nicht gerecht. So gut
aber wie mich die Sinnenwelt beeinflusst,

wirkt auch die Astralwelt auf mich ein,
nur zunächst natürlich unbewusst für mich.
Dass z. B. an Wallfahrtsorten Wunder
geschehen, liegt nicht allein an dem durch
die frohe Erwartung auf Heilung gestärkten
Glauben — wie du Prel annimmt —
vielmehr ist die ganze dortige Atmosphäre
mit »Od« getränkt, dem Fluidum der
frommen Personen, die dort gebetet haben.
Dieses Od bleibt auch an den Reliquien
und geweihten Gegenständen, daher ist
es keineswegs gleichgiltig, ob eine Reliquie
echt ist oder nicht. Im letzteren Falle
kann zwar auch durch eigene Anstrengung
Heilung eintreten. Aber im ersteren ist es
natürlich leichter. Annie Besant hat in
London das Weihwasser in den katholischen
Kirchen auf seine mystische Wirkung hin
untersucht und jedesmal constatieren
können, wie gross beim Weihen die
magische Kraft des jeweiligen Priesters
war. Ebenso hat jeder Fluch eine objec-
tive
Wirkung. Denn er geht in das
Astralgebiet, und seine magischen Wellen
kommen nach den Gesetzen, die dort
herrschen und die ich hier nicht anführen
kann, mit Nothwendigkeit zum Ziele,
manchmal freilich zum grossen Schaden
des Fluchenden, den sie selbst oft, rück-
wärts eilend, treffen.

Der Astralkörper ist auch nicht ewig,
wie du Prel meint. Er löst sich im Jenseits
allmählich auf, nachdem sich vorher schon

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 21, S. 511, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-21_n0511.html)