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finden sind, dass die allermeisten Ge-
bildeten unserer Tage das Hellsehen noch
immer in das Gebiet des Aberglaubens
zu verweisen pflegen.
Aufs eindringlichste warnt Leadbeater
vor den Entwicklungsmethoden, die bei
den auf tieferer Stufe stehenden Völker-
schaften gewöhnlich angewandt werden,
also vor dem Gebrauche von berauschen-
den Getränken, vor dem Einathmen von
betäubendem Räucherwerk der nicht-
arischen Völkerstämme, vor den verwerf-
lichen Wirbeltänzen, wodurch mahome-
danische Derwische religiöse Ekstase und
körperliche Unempfindlichkeit hervorzu-
rufen suchen. Für ebenso verwerflich hält
er auch die im westlichen Europa üblichen
Entwicklungsmethoden zu diesem Zweck,
wie die Selbst-Hypnotisierung durch An-
starren eines glänzenden Gegenstandes,
oder die fortwährende Wiederholung einer
gewissen Formel bis zu einem Zustand
halber Bewußtlosigkeit. Abzurathen ist
ebenfalls von der bei uns häufig ange-
wandten Methode der Regulierung des
Athmens. Selbst der verhältnismässig
harmlos erscheinenden Methode der Her-
vorrufung von Hellsehen, die darin be-
steht, dass man versucht, sich durch einen
vertrauenswürdigen Hypnotiseur in das
Stadium des Somnambulismus versetzen
zu lassen, möchte Leadbeater nicht das
Wort reden, weil ein Hypnotiseur von
vollkommenster Lauterkeit kaum zu finden
ist, obwohl solche Experimente für den
Skeptiker, der an der Fähigkeit des Hell-
Sehens überhaupt zu zweifeln gewohnt
ist, recht lehrreich sein mögen. Jedenfalls
sollte Der, welcher mit Kräften experi-
mentieren will, die — wenigstens für ihn —
noch nicht zu den normalen Naturkräften
zählen, nicht eher damit beginnen, als
bis er sich mit der einschlägigen Literatur
vollständig vertraut gemacht hat. Am
besten fährt natürlich Der, welcher in der
Lage ist, die Entwicklung dieser Fähig-
keit einem dazu vollkommen qualificierten
Lehrer überlassen zu können. Aber wo
findet sich ein solcher?
Man möge mir gestatten, die hierauf
zu gebende Antwort nicht direct, sondern
in der Form eines Gleichnisses zu geben.
Man vergegenwärtige sich einen steilen,
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felsigen, bis in die Wolken ragenden Berg,
der kegelförmig isoliert aus der Ebene
aufsteigt und dessen Gipfel einen unver-
gleichlichen Aussichtspunkt gewährt. Um
diesen Berg schlingt sich in vielen, vielen
Windungen eine ganz langsam nach auf-
wärts führende Landstrasse. Auf dieser
Strasse wandelt seit vielen Jahrtausenden
die Menschheit in dichten Scharen; ein-
zelne wenige Menschen kommen rasch
voran, bei den meisten jedoch ist dieser
Aufstieg sehr, sehr langsam, und viele
geben sich überhaupt keine Mühe, vor-
wärts zu kommen; einige laufen sogar
zeitenweise, muthlos geworden, wieder
rückwärts. Wenn die Nacht hereinbricht,
so legen sich unsere Wanderer hin,
schlummern ein, und je weiter sie tags
zuvor in ihrem Aufsteigen gekommen,
umso holder sind nun die Träume, die
sich jetzt in diesem Schlummer einstellen.
Andern Morgens wieder erwacht, heisst
es dann für unsere Wanderer mit neuer
Kraft und neuem Muthe den Aufstieg
fortsetzen. So geht es viele, viele Tausende
von Jahren fort, immer langsam weiter,
auf der breiten, staubigen Landstrasse
den Berg hinauf. Da und dort aber fällt
wohl auch Einem ein: Wenn es nun
doch einmal meine Aufgabe ist, da hinauf-
zusteigen, so könnte ich am Ende auch
einen kürzeren Weg wählen als diese
Landstrasse, und er verlässt dieselbe und
sucht sich einen directer nach oben
führenden steilen Bergpfad, auf dem er
freilich nicht sehr weit kommen wird,
wenn er nicht über ganz besonders
kräftige Muskeln und gute Lungen ver-
fügt. Dann und wann kommt Einer auf
dem rauhen Bergpfad auch wirklich weiter,
Viele, die es versuchen, kehren aber bald
erschöpft auf die bequeme Landstrasse
wieder zurück. Nur die wenigen schwindel-
freien und muthigen Kletterer klimmen
weiter, immer höher und höher, und
immer herrlicher wird die Aussicht in die
Ferne, die sich ihnen erschliesst. Und
wie sie so unerschrocken trotz der grössten
Mühseligkeiten, die zu überwinden sind,
immer weiter klettern, da gesellt sich
plötzlich, von oben kommend, ein Führer
zu ihnen, der sie von der Höhe aus ge-
sehen hat und nun gekommen ist, ihnen
mit seiner Erfahrung und seiner genauen
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