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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 25, S. 585

Text

UMSONST

VON GABRIELE D’ANNUNZIO
FRANCAVILLA

O, meine Sehnsucht wird sich nie erfüllen,
Du hohe Kunst wirst dich mir nie enthüllen:
Ich betete zu dir umsonst, umsonst.

Du gold’ner Ruhm, du wirst mir nie begegnen,
Nie meine Stirn mit deinem Kusse segnen:
Ich folgte dir umsonst, umsonst.

Du unbekanntes Lieb, bist früh gestorben,
Mein schönes Leben ist mir drob verdorben:
Ich harrte dein umsonst, umsonst.

Und keinen Schmerz vermocht ich je zu lindern,
Kein Unrecht, keinen Frevel je zu hindern:
Mein Mitleid und mein Zorn — umsonst, umsonst.

Leer bleibt die Furche hinter meinen Tritten,
Unfruchtbar bleibt die Flur, von mir beschritten:
So lebte ich umsonst, umsonst.

Vor mir in Nebeln und in Dunkelheiten
Seh’ ich den Tod, still, ohne Fackel schreiten:
Ich sterbe auch umsonst, umsonst.*

* Deutsch von EUGEN GUGLIA.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 25, S. 585, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-25_n0585.html)