Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 3, S. 76

»The Studio« (Sch., W.)

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Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 3, S. 76

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NOTIZEN.

lernen, gelegentlich auch, wie man’s nicht
machen soll, denn auch im neuenglischen
Kunstgewerbe ist nicht alles Gold, was
auf Leder oder Pappe glänzt. Das über-
mäßig verschnörkelte Flächen-Ornament
treibt jetzt als Schlangenlinien-Unfug auch
im Inselreich sein Wesen. Entwürfe von
Nicholson (Umschlagzeichnung zu den
kürzlich in der Wiener Secession ausge-
stellten »London Types«), Laurence
Housman
(Einband zu Rossettis Werken),
Hortons (zwei Zeichnungen zu Gedicht-
sammlungen von Keats und Shakespeare)
sind hervorzuheben. Bei diesen Blättern
ist der Einfluss Beardsleys* fühlbar,
weniger gedanklich als stilistisch in der
zeichnerisch-strengen »Filigran-Technik«.
Diese filigranartige Schärfe verkörpert
gleichsam die Concentration im Laster-
haften, wie ein feiner Stachelzaun die
glitzernden Märchenträume Beardsleys um-
gitternd. Es ist darum sehr gewagt, diese
Stilempfindung auf andere Gebiete zu
übertragen. — Einige Entwürfe der durch
ihre illustrativen Beiträge zu altindischen
Sagen bekannten Jessie King bringen
durch ihr geometrisiertes Verfahren in der
Raumvertheilung die mystischen Quadrate
der orientalischen Mathematiker in Er-
innerung. Douglas Cockerell gestaltet
mit handwerklicher Charakterkraft praktisch
und sicher aus dem Material heraus. Das

vornehm-schlicht Zweckmäßige ist auch
hier, wie in allem Kunsthandwerk, das
Beste und Dauernde. — Frisch und klar,
aber ohne besondere Eigenart, schließen
sich die Amerikaner an, deren tüchtigste
Entwürfe von Bradley,* Rhead und
Magaret Armstrong herrühren. — Die
Franzosen zeigen das Bestreben, freie male-
rische Effecte herauszubringen, manchmal
japanisierend oder in der gaufrierten Art
des Charpentier. Ohne im handwerklichen
Boden zu wurzeln, muss dieses gewaltsame
»Bemalen« und »Modellieren« der Buch-
deckel als eine Abirrung und Unhaltbarkeit
wieder verschwinden, so auffallend sie
im ersten Moment bestechen mag. Als
Gegenstück sei der ganz einfache Leder-
Umband von Marius Michel hervor-
gehoben. — Die Niederländer bringen
Gutes. Aus Fernand Khnopffs Artikel über
die vlämisch-belgischen Künstler erfahren
wir u. a., dass ein Überblick über die
geschichtliche Entwicklung des nieder-
ländischen Buchgewerbes aus der Feder
van den Peerebooms, des Ex-Ministers,
bevorsteht. — Dänen, Schweden und
Finnländer (Hedberg und Gräfin Sparre
ragen hervor) bilden den Schluss des
Heftes, in welchem, wie erwähnt, die
Reichsdeutschen und Österreicher durch
Abwesenheit glänzen. W. SCH.

* Vgl. »Wr. Rundschau«, III. Jahrgang, Heft 20, S. 477 ff.

In Beantwortung einiger Anfragen sei hier neuerdings und auf das nachdrücklichste
hervorgehoben, dass das im ersten Hefte dieses Jahrgangs publicierte Bildnis der Kaiserin
(Bleistift-Zeichnung von Fernand Khnopff, Brüssel), das für die französische Ausgabe der
»Tagebuchblätter« von Constantin Christomanos (Verlag des »Mercure de France«) hergestellt
wurde, in keinem Falle nachgedruckt oder ohne das Heft, in dem es erschienen ist, veräußert
werden darf. Das artistische Eigenthum und jedwedes Reproductionsrecht wird hiemit nochmals
vorbehalten.

In Nr. 1, S. 9, Zeile 3 (»Das Blutband«) soll es: Ursprung (nicht: Vorsprung) heißen.


Herausgeber: Constantin Christomanos und Felix Rappaport. —Verantwortlicher Redacteur:
Anton Lindner.

K k. Hoftheater-Druckerei, Wien. I. Wollzeile 17. (Verantwortlich A. Rimrich.)

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 3, S. 76, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-04-03_n0076.html)