|
Im Rayon der Pariser Weltausstellung
will man einen großen Menhir, einen
heiligen Stein der alten Druiden von der
Bretagne, aufstellen, der gewiss eine Haupt-
merkwürdigkeit bilden wird. Ich weiß
nicht, ob die Idee zur Ausführung gelangt.
Es dürfte jedenfalls seine Schwierigkeiten
haben, eine so schwere Masse zu trans-
portieren — und außerdem ist der Stein
zerbrochen. Aber der Gedanke ist insofern
merkwürdig, als er zeigt, wie die Franzosen
sich heute mehr denn je ihrer keltischen
Abkunft erinnern. Es wäre nicht zu ver-
wundern, wenn sie sich vom nächsten
Jahrhundert an nicht mehr Franzosen,
sondern Gaulois nennen würden.
Auch in anderen Ländern, wo das
keltische Blut noch reiner geblieben ist,
fängt man an, der keltischen Zusammen-
gehörigkeit zu gedenken, ja, man hat in
diesem Jahre bereits mit einer keltischen
Gemeinbürgschaft begonnen. Haben die
Slaven zuerst das Bedürfnis gefühlt, sich
einander zu nähern und den Panslavismus
ins Leben zu rufen, gibt es heute schon
Germanen, welche einem politischen All-
Germanenthum das Wort reden, so wollen
nun auch die übriggebliebenen Kelten dem
Zuge der Zeit folgen. Heute ist ein großer
Weltkampf entbrannt, der sich wesentlich
um zwei große Principien dreht: einmal
ist es die wirtschaftliche Noth, welche
gebieterisch fordert, dass man es nicht
mehr der Privat-Initiative überlässt, für
den Volkswohlstand zu sorgen; dann ist
es aber auch der Gegensatz der Rassen,
der immer mehr in den Vordergrund tritt.
Verbinden sich die beiden Principien bei
einem Volke, so wird dieses Volk eine
Kraft erhalten, welche es befähigt, das
Höchste zu leisten. Umgekehrt, wenn —
wie in Österreich — das Volk durch
Rassenhader geschwächt wird, so leidet
nicht allein die wirtschaftliche Entwicklung,
sondern das Volk wird schließlich unfähig
zu einer großen Actionspolitik. Es war
|
das Unglück Deutschlands, dass es jahr-
hundertelang keine wirtschaftliche Einheit
bildete. Daher konnten die ethnographischen
Gegensätze so scharf werden. Jeder weiß
aus der Geschichte, dass Süd-Deutschland
früher Keltenland war. Der Gegensatz
zwischen dem keltisierten Süden, dem
slavisierten Osten und dem verhältnismäßig
rein germanischen Nordwesten wäre ohne
die wirtschaftliche und daraus sich er-
gebende politische Einigung des Jahres
1870 noch größer geworden.
Man vergesse nicht, dass die Sprache
sowenig wie die Literatur einen so
großen Einfluss ausübt, als es unsere
Schulmeister aufzustellen pflegen. Die
Masse des Volkes bleibt davon unberührt.
Sie lässt sich vom angeborenen Charakter
leiten, aber nicht von den schönen Phrasen
der Zeitungsschreiber. Der Charakter ist
das Entscheidende und der geht auf die
Rasse zurück. Das Volk empfindet instinctiv
einen Widerwillen gegen Menschen von
anderem Charakter, und so wird trotz
Schiller und Goethe »der Preuß« dem
Bayern noch lange unsympathisch sein.
Der Schweizer wird trotz seiner deutschen
Sprache sich nicht als Deutscher fühlen.
Das keltische Blut in seinen Adern sagt
ihm, dass er Helvetier ist, dass er daher
anders fühlt und denkt, als ein reiner
Germane.
Wenn nun Volks-Einheiten vorhanden
sind, welche einer politischen Nation ein-
verleibt sind, ohne derselben ethnographisch
anzugehören, so können sie bei dem so-
eben angeführten Zuge der Zeit eine große
Gefahr werden. Die Engländer werden
das vielleicht einmal erfahren, wenn
äußere Verwicklungen die Regierung in
Bedrängnis bringen. Die Irländer hassen
die Angelsachsen, und selbst die bis vor
kurzem so ruhigen Walliser fangen an,
sich der angelsächsischen Vorherrschaft
entgegenzustemmen.
|