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so weit, zu behaupten, dass die Politik
des vorigen Jahrhunderts — in Frankreich
sogar immer! — von den keltischen
Maitressen gemacht worden wäre. Es
dürfte schwer sein, nachzuweisen, wie
groß der Percentsatz keltischen oder ger-
manischen Blutes bei den einzelnen fürst-
lichen oder ministerlichen Geliebten war.
Uns fehlen doch wohl die Stammbäume
dieser interessanten Persönlichkeiten. Wenn
man auch nachweisen kann, dass etwa
der Großvater ein irischer Officier war,
so kann man sie noch immer nicht für
das Keltenthum allein in Anspruch nehmen.
Erst müsste man einmal die genaue Ab-
stammung aller Individuen feststellen
können, die in der Geschichte eine Rolle
gespielt haben. Dazu reicht aber unsere
heutige Wissenschaft nicht aus. Wir
haben das Studium der Ethnographie ver-
nachlässigt und müssen das Versäumte
erst nachzuholen suchen.
Mir scheint die Keltenfrage kurz so
zu liegen: Die Gallier waren ein arisches
Herrenvolk, welches die Kelten, die es
bei der Einwanderung vorfand, knechtete,
wie später die Germanen die Gallier unter-
worfen haben. Beide Rassen mischten
sich dann im Laufe der Zeit. Dass vor
den Kelten andere Völker in Europa gelebt
und sich mit den Kelten vermischt haben,
ist wahrscheinlich. Diese Urbevölkerung
war klein, mit schwarzen Haaren; die
Gallier waren blond und hochgewachsen.
Heute nun sind alle diese Rassen mit-
einander vermischt. Sie werden äußerlich
zusammengehalten durch den politischen
Zwang und die Schriftsprache. Die Charak-
tere sind aber natürlich je nach der Ab-
stammung verschieden genug, so dass
mancher deutsche Reichsbürger einem
Franzosen geistig näher stehen mag, als
seinem Kameraden, mit dem er im Re-
gimente Seite an Seite steht. In Frank-
reich und England ist natürlich dasselbe
der Fall. Am deutlichsten merkt man dies
in Kunst und Literatur. Das Frivole,
Leichtsinnige, Burleske, Unsittliche der
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heutigen Décadence-Literatur, das „Fin
de siècle“-Auftreten geht auf die schwarze
Ur-Rasse zurück, die durch die demo-
kratischen Einrichtungen unserer Zeit und
das allmähliche Aussterben der empfind-
licheren edlen Rasse immer mehr oben
hinkommt. Gäbe es Kasten wie in Indien,
so würde diesem Vorgange Einhalt ge-
boten. Aber die Menschen der Ur-Rasse
sind anpassungsfähiger und wissen sich
geschickt durch Scheintugenden in höhere
Stellungen zu bringen. Die eigentlichen
Kelten, richtiger Gallier, aber haben gute
Eigenschaften, die die germanischen Un-
vollkommenheiten glücklich ergänzen. Das
Bewegliche, Impulsive, Geniale des Galliers,
das Künstlerische, Menschlichfreie, Höf-
liche, Liebenswürdige verbindet sich sehr
gut mit dem Festen, Langsamen und
Bedächtigen des Germanen. Leider sind
die Gallier auf dem Festlande meist schon
zu sehr mit der Ur-Rasse verbunden, so
dass ein Auseinanderhalten schwer ist.
Aber relativ rein sind sie zum Theile
noch auf englischem Boden und in der
Bretagne.*
Vor einigen Monaten stand ich auf
der Eisteddfod in Wales, der großen
National-Versammlung, die jedes Jahr vier
Tage lang in einer der wälischen Städte
tagt. Ein blaues Banner mit dem rothen
Drachen von Cambrin war aufgepflanzt.
Vier Oriflammen daneben verkündeten die
Theilnahme von Irland, Schottland, Wales
und der Bretagne. Das heilige Gefild (Gor-
sedd) war in Kreisform bezeichnet durch
zwölf aufrechte Steine, welche die zwölf
Ritter König Arthurs darstellten. Im inneren
Cirkel, der enger war, befanden sich zwölf
Blöcke, auf welchen die Barden oder
Ovaten während der Ceremonie einen Fuß
setzten. Inmitten stand der heilige Stein,
der den Mittelpunkt der Welt bedeutet.
Hier saß der Erzpriester der Druiden, der
Hwfa-Môn (sprich: Houva-Môn), gekleidet
in eine weiße Robe, auf der Brust ein
Pectorale von mattem Gold, einen Eichen-
kranz auf dem Haupt. Zu seiner Linken
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