Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 9, S. 118

Gerichts-Verhandlung Wille und Heilung (Altenberg, PeterSpreti, Adolf Graf von)

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Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 9, S. 118

Text

SPRETI: WILLE UND HEILUNG.

Jugend auf dem lieblichen Antlitze
schimmerten.

Später sagte er: »Lawinen!
Was sind Lawinen?! Ein Steinchen
kommt einfach in’s Rollen — — —.«

»Diese Geschworenen-Thätigkeit
ist nichts für Dich«, sagte die Gattin
ganz pensif, »bist Du ein Philosoph?!
Nun also! Ich werde froh sein, wenn
der Monat zu Ende ist!«

WILLE UND HEILUNG.
Von ADOLF GRAF SPRETI (Stamberg).

Dem Denken und Wollen des Menschen
wohnt eine gewisse, durch nichts weg-
zuleugnende schöpferische Kraft inne,
und wir können durch sachgemäße
Übung und Anspannung dieser Kraft weit
mehr erreichen, als man sich in der Regel
träumen lässt.

Ich will hier gar nicht auf das um-
fangreiche Gebiet der eigentlichen Magie
eingehen, deren Wirkungen ja auch zum
weitaus größten Theile ganz oder doch
zumeist auf Willenseinflüsse zurück-
zuführen sind; sondern ich will mich
lediglich beschränken, darauf hinzuweisen,
wie wichtig es für den Arzt wie für die
Patienten ist, in welcher Richtung sich
das Denken und Wollen der einzelnen
Kranken bewegt. Wohl die wenigsten
Menschen haben auch nur eine Ahnung
davon, von welch’ großer Wichtigkeit ihr
eigenes Denken und Wollen für ihr Wohl-
befinden ist, und wie sehr sie durch eine
bestimmte Richtung desselben in Er-
krankungsfallen die Bemühungen ihres
Arztes und die Wirkung der von ihm
verordneten Heilmittel entweder unter-
stützend fördern oder aber hemmend
hintanhalten können.

Von der Macht der Imagination oder
Einbildungskraft — was ja nichts Anderes
ist als: feste Willensconcentration auf
auf einen bestimmten Punkt — wussten
Paracelsus und eine ganze Reihe all-
bekannter medicinischer Größen schon im
grauen Alterthume zu berichten, und
welch’ große Rolle dieselbe in sehr vielen
Krankheiten spielt, darüber hat wohl jeder
Arzt schon seine eigenen Erfahrungen
gemacht. Ist es doch Thatsache, dass

manche Menschen nur deshalb krank
sind und krank bleiben, weil sie sich
einbilden, krank zu sein, und an der Mög-
lichkeit ihrer Wiedergenesung von vorne-
herein verzweifeln. Wie weit es möglich
ist, durch Willenskraft eigene Leiden zu
überwinden und sich trotz arg geschwächter
Constitution noch leistungsfähig zu er-
halten, dafür lassen sich Hunderte von
Beispielen aus dem alltäglichen Leben
finden, die uns lehren, wie z. B. eine von
eigenen Leiden fast zu Tode erschöpfte
Mutter sich durch ihren unbeugsamen
Willen nicht nur aufrecht erhalten, sondern
auch noch die anstrengende Pflege ihres
kranken Kindes besorgen kann etc. etc.

Die durch das suggestive Verfahren
erzielten Heilerfolge zeigen mit drastischer
Deutlichkeit die Macht des fremden Willens
nicht nur auf unsere seelischen Zustände,
sondern auch auf unser leibliches Wohl-
befinden. Ist aber ein fremder, außer uns
gelegener Wille imstande, auf unseren
Körper und seine Functionen einzuwirken,
so müssen wir die gleiche Fähigkeit doch
auch für unseren eigenen Willen bean-
spruchen dürfen.

Selbstverständlich geht es nicht an,
in dem beschränkten Rahmen eines
Journal-Artikels sich eingehend über diese
Theorie auszusprechen und auf eine voll-
wertige Begründung derselben einzulassen.
Ich muss mich darauf beschränken, zum
Troste und zur Aufmunterung mancher
Leidenden in aller Kürze die Gründe an-
zudeuten, weshalb diese Wirkungen ein-
treten müssen.

Hiezu ist es vor allem nothwendig,
uns klar zu machen, was im allge-

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 9, S. 118, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-04-09_n0118.html)