Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 9, S. 120

Wille und Heilung Occultismus und officielle Wissenschaft (Spreti, Adolf Graf vonSeiling, Max, Prof.)

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Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 9, S. 120

Text

SEILING: OKKULTISMUS UND OFFICIELLE WISSENSCHAFT.

für ihn, gleichviel von welchem Leiden er
befallen sein mag, von höchster Wichtigkeit,
dass er nicht nur den Wunsch habe,
gesund zu werden, sondern dass er die
ganze Energie seines Willens auf
die Bekämpfung und Besiegung des Übels
richte.

Mag es ihm in manchen Fällen —
wegen ungenügender Stärke seines Willens

— auch nicht gelingen, in den Vollbesitz
seiner ehemaligen Gesundheit zu gelangen,
so wird er sich doch sehr bald durch
eigene Erfahrung überzeugen, wie mächtig
er durch solche Willens-Concentration
sein körperliches Wohlbefinden fördert. Je
mehr seine Willenskraft erstarkt, umso
günstigere und raschere Erfolge wird er
zu verzeichnen haben.

OKKULTISMUS UND OFFICIELLE WISSENSCHAFT.
Von MAX SEILING (München-Pasing).

Motto: Wahrheit ist ein Hund, der ins Loch muss
und hinausgepeitscht wird. SHAKESPEARE.

Wenn man in der Geschichte verfolgt,
wie die Wissenschaft zu neuen Erschei-
nungen und Problemen sich verhalten
hat, dann findet man es begreiflich, dass
Professor Zöllner einmal sagen konnte:
»Zu allen Zeiten hat selbst bei den be-
deutendsten Vertretern der Wissenschaft
eine bis zur pathologischen Er-
regung gesteigerte Furcht vor An-
erkennung neuer Thatsachen
obgewaltet.« Man wird die Richtigkeit
dieser Behauptung schon zugeben müssen,
wenn man sich z. B. folgende Vor-
kommnisse vor Augen führt: Humphry
Davy lachte über die Vorstellung,
dass London jemals mit Gas beleuchtet
werden sollte; La Place erklärte als
Präsident der französischen Akademie
der Wissenschaften die Discussion der
Frage über die Realität der Meteorstein-
fälle für unanständig und einer so illustren
Gesellschaft unwürdig; Galvani wurde als
Tanzmeister der Frösche verspottet; der
Entdeckung des Blutkreislaufes wurde ein
allgemeiner Widerstand entgegengesetzt;
Martin Korky, ein Schüler Kepler’s, er-
klärte diesem: »Ich werde niemals jenem
Italiener aus Padua (Galilei) seine vier
Satelliten des Jupiter zugestehen, und
wenn ich deshalb sterben sollte«; als
Reis, der Erfinder des Telephons, die Re-
daction von »Wiedemann’s Annalen« um
Aufnahme einer Beschreibung seiner elek-

trischen Fernsprechversuche bat, wurde
ihm die Antwort, dass ein ernsthaftes
wissenschaftliches Blatt für solchen Hum-
bug keinen Raum habe; Bouillaud er-
klärte in einer Sitzung der französischen
Akademie, nach reiflicher Prüfung stehe
es für ihn fest, dass beim Phonographen
nur Bauchrednerei im Spiele sei; Th. Gray
sollte in die Zwangsjacke gesteckt werden,
weil er die Durchführbarkeit der Eisen-
bahnen behauptet hatte; ein hübsches
Pendant hiezu ist der feierliche Protest
der medicinischen Facultät der Univer-
sität Würzburg gegen die Benützung der
Eisenbahn zum Transport von Menschen,
welcher Protest gelegentlich des Baues
der ersten deutschen Eisenbahn von
Nürnberg nach Fürth erhoben wurde;
der deutsche Arzt R. Mayer wurde that-
sächlich in die Zwangsjacke gesteckt,
weil er es mit der Begründung der
mechanischen Wärmetheorie gewagt hatte,
den Physikern von Fach in das Hand-
werk zu pfuschen.

Die Gründe, aus welchen die officielle
Wissenschaft fast regelmäßig geirrt hat,
wenn sie neue Erscheinungen ohne vor-
herige gründliche Untersuchung beurtheilt,
sind verschieden. Viele Gelehrte fürchten,
sich lächerlich zu machen und für un-
aufgeklärt zu gelten, wenn sie einer
radicalen Neuerung auch nur ein ernstes
Interesse entgegenbringen wollten. Andere

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 9, S. 120, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-04-09_n0120.html)