|
Netze. Das Hin und Her in diesen ab-
gezogenen Werten — das macht unser
Leben. Wir sind Staatsmenschen, Ge-
sellschaftsmenschen und haben auf-
gehört, Naturwesen zu sein. Himmel
und die Sterne sehen wir noch und
bewundern sie wie eine schöne Deco-
ration, aber sie greifen nicht mehr ins
leidenschaftliche Leben. Wasser trinken
wir. Wir wissen, was es ist, und sind
zufrieden, es für ein Chemikat oder
flüssiges Mineral zu halten und nichts
weiter. Das Licht leuchtet uns. Wir
können mit einem Fingerdruck tausend
Glühflammen aus dem Dunkel wecken
oder für Pfennige hundert Flämmchen
aus kleinen Hölzern emporbrennen
lassen. Was Licht ist, sagt uns das
Wissen und die Gewohnheit, und wir
sind zufrieden, es für eine Energie zu
halten und nichts weiter. Wir wissen
alles — und wir werten es wenig.
Die Liebe zu den großen Wesens-
dingen ist uns verloren. Die Dinge
wirken gar nicht auf uns. Wir genießen
sie meist in dem engen Becher des
Begriffes. Wir sind aus den Gründen
der weiten Welt wie Pflanzen und
Felsen hervorgebrochen. Aber wir wissen,
was Pflanzen und Erdboden und Licht
und Luft ist, und sind zufrieden. Wie
ein schlechter Sohn, der gleichgiltig
auf die ewige Hilfe und That der
reichen Eltern baut, ohne sie zu lieben,
so sind wir befriedigt, wenn wir nur
mit Sicherheit über die Dinge verfügen,
nichts weiter. Wir sind Staatsmenschen.
Wir sind auf Worte und Wissen ge-
stellt, wir finden uns eingeengt in eine
Welt von Begriffen, die der Nothdurft
dienen und im Zwange der Nothdurft
der Massen aus den wirklichen Dingen
entstanden sind. Aber wir haben ver-
gessen, dass ein jeder von uns einmal,
ein ganz Einzelner, aus dunklen Gründen
aufgestiegen ist, unverwandt im Blute
mit Fels und Wasser und Fisch und
Vogel. Wir haben vergessen, dass in
Wahrheit alle Dinge Naturdinge sind
und dass auch im Natursinne unseres
Lebens die wahre regenerative Macht
des Persönlichen allein beschlossen
|
liegt. Denn niemand kann auch nur
eine eigene Sprache reden, dem nicht
erst die Sinnendinge wieder reden, die
große Sinnenwelt mit ihren Zeichen
und Wundern, die zugleich zeugende
und trennende Macht haben. Niemand
kann ein Künstler sein, der nicht fern-
ab von allem Herkommen und allen
Namen in der weiten Sinnenwelt eine
eigene, sinnliche Heimat gewann.
Niemand kann vom Erkennen der
Dinge etwas ahnen, der nicht das
Wissen, an der Tiefe der Erlebnisse
gemessen, als Stückwerk erkannt und
es in sich selbst und nur in Beziehung
auf sich zur inneren Einheit erhoben
hat. Wer wollte anders auch zur stillen
Besinnung auf das Ein und All durch-
dringen, in dessen leibhaftigem Wunder
verstrickt wir unser Leben leben, aus
dunklen Gründen aufkeimend und in
dunkle Gründe auch sinkend? Wer
wollte zur Ehrfurcht kommen? Wer
wollte anders wieder ein echt religiöser
Mensch sein, nicht einer, der die un-
wirklichen und unsinnlichen Gedanken-
dinge und engen Theorien — nein, der
die machtvollen, grenzenlosen, allgegen-
wärtigen, drohenden und allgütigen
wirklichen Dinge um uns und in uns
anbetet?
Es gibt Menschen, die nur wollen,
was klar ist und was sie können, und
die sich damit zufrieden geben. Und
wieder Menschen, die wollen, was noch
unklar ist, dass sie es für sich und
damit für andere zur Klarheit erheben
— und die sich nicht eher zufrieden
geben. Sie wollen, was sie noch nicht
können. Es sind Leute, die oft genug
über dem, was sie ahnen, zerbrechen.
Es muss soviel Ungerechtigkeit in
der Welt geben, wie Ungeradheiten in
der geraden Linie stecken, die ich mit
Kreide ziehe. Wer diese Ungeradheiten
wie mit einer Lupe sieht, hat zu scharfe
Augen. Wer sie gar aus der Welt
schaffen wollte, wird zum Narren.
|