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Blumenfeldern eine Zwischenform der
Schönheit beider emporsprossen kann,
sind bei Memling germanische Innigkeit
und Treuherzigkeit ein Bündnis mit
romanischer Formenzucht eingegangen.
Stephan Lochners idyllische Pfingstkunst
in der Madonna im Rosengarten, die zu
der lenzhellen Musik ihrer Gespielinnen
träumt — denn wie Gespielinnen wirken
diese blonden, blauäugigen Engel, die über
ihren Instrumenten — und Rogier van
der Weydens Passionskunst, so latinisch
in der pathetischen Schärfe und dem
leidenschaftlichen Zug der mageren, ver-
weinten Gestalten, sind bei Memling zu
einer neuen Harmonie verschmolzen.
Lyrisch, beinahe unmännlich, wie
Memling seinem Temperament nach ist,
von der Miniaturtechnik zur Zierlichkeit und
Eleganz hingezogen, bringt er das Feinste
seines Wesens in seinen Frauendarstel-
lungen zum Ausdruck, in seinen Heiligen,
Engeln und Madonnen.
Die Frauengestalten der flamländischen
Kunst, welcher Stoff, um ihn zu studieren!
Welcher Reichthum an Typen aller Art,
seit van Eyck ihre Stammutter Eva auf
dem Genter Altar schuf, mit dem Apfel
der Sünde in der Hand und dem mittel-
alterlich vorgeschobenen Bauch — das
Weib, noch mit scholastischem Widerwillen
als Geschlechtswesen — Versucherin und
Kindergebärerin — aufgefasst und nichts
anderes. Man denke dann an den geraden
Gegensatz dieser gothischen Figur, an das
flamländische Weib-Ideal der Renaissance,
die Königin des Fleisches, die bei Rubens
mit der Üppigkeit ihrer Jugend die Welt
lenkt. Heidnische Bacchantin, mag sie nun
Nymphe oder Heilige heißen, nicht einmal
als Magdalena die Üppigkeit ihres Körpers
zügelnd, ist sie die Königin des rosen-
rothen Fleisches, mit heißem, an die Haut
pochendem Blute und einem Rhythmus des
Sinnenrausches in den Gewändern, die um
ihre Glieder flattern. Zwischen diese
Extreme fügt sich ein Heer von Frauen-
typen ein. Zwischen ihnen lebt ein
Feminist mit verblüffender Modernität in
seinen Gestalten (man sehe seine wunder-
lich moderne Salomé in Antwerpen an)
wie Quinten Massys; aber kein flamlän-
discher Künstler vor Van Dyck ist so von
der Natur bestimmt gewesen, der Verherr-
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licher der auserlesenen und conventionellen
Weiblichkeit zu sein, wie Memling.
Am tiefsten auf der Stufenleiter von
Memlings Frauen (von den durch Modelle
gebundenen Porträts ist hier nicht die
Rede) stehen die Heiligen, so wie man sie
in den Figurinen des Ursula-Schreins sieht,
irdisch aufgefasst trotz des Schimmers,
der über ihren Zügen ruht. Sancta Ursula
mit ihren Mägden ist eine burgundische
Prinzessin mit ihrem Gefolge von adeligen
Jungfrauen. Was hier den Betrachter
packt, ist gerade die vornehme Schloss-
luft, der höfische Adel, den dieser bürger-
liche Maler seinen Gestalten zu leihen
vermochte. Diese Frauen tragen des
ganzen prachtlüsternen Flanderns Prunk
und Staat. Die Stoffe mit den tiefen
Farben und den reichen Verbrämungen
stammen von Tournays berühmten Web-
stühlen; Spitzenklöpplerinnen in Valen-
ciennes haben auf ihren Kissen die Schleier
des Kopfputzes gewirkt und Méaux’ Gold-
schmiede die Ketten um ihren Nacken
gefertigt. Aber sie fühlen sich in all dieser
Pracht heimisch, und köstlicher als ihre
Gewänder ist der ungezwungene Adel,
mit dem sie sie tragen. Mit ihnen ver-
glichen erscheinen die Rubens’schen
Damen wie protzige Kaufmannsfrauen mit
taktlosem Staat und Embonpoint! Wie
leuchtet nicht Ursula in unserer Erinne-
rung in ihrer selbstbeherrschten Ver-
zückung, Königstochter und Märtyrerin,
Traum der Andacht und Eleganz!
Aber noch bestrickender, als die
Heiligen sind Memlings Engel, die hol-
desten Wesen, die die flamländische Kunst
geschaffen. Gegen sie sind van Eycks
Engel strenge, zu hoch für die Sorgen der
Menschen, und die Hugo van der Goes
sehen verirrt und fremd aus, wie sie sich
da auf die Mahnung des Künstlers von
ihren fernen Himmelsstrichen zur Erde
herniedersenken. Aber gerade der Kinder-
träume und Jugendgebete Botinnen zwischen
Himmel und Erde hat Memling gesehen.
Ein ungekannter Strahlenglanz ruht über
ihren Schläfen, und der Thau von Edens
Gras haftet an ihren Mänteln, aber dennoch
sehen sie schwesterlich und vertraut aus,
wie sie da herankommen, mit gelösten
Locken, die schmalen Hände an ihren
Instrumenten. Denn immer singen und
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