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unbegreiflich, wenn man auch noch so
viel darüber argumentieren kann, und des-
halb sind auch die meisten unserer gelehrten
Abhandlungen über »Nirwana«, »Sa-
madhi« u. dgl. so verkehrt, dass man
bei dem Lesen derselben nur wünschen
kann, unsere Schriftgelehrten möchten
einmal selbst geeignete Erfahrungen machen,
ehe sie über Dinge urtheilen, in Bezug
auf welche sie absolut unwissend sind.
Betrachten wir das Wort »Raum«.
Wir leben im Raume und bewegen uns
darin. Jedermann glaubt an das Dasein
des Raumes und dennoch kann niemand
sich einen Begriff von der Beschaffenheit des-
selben machen. Wir können uns den Welten-
raum weder als begrenzt, noch als grenzen-
los vorstellen, und wenn wir auch sagen
können, dass er unendlich sei, so können
wir uns doch keinen Begriff von seiner
Unendlichkeit machen. Der Verstand
begreift nur das Geformte und Beschränkte:
die Seele allein kann das Formlose und
Unendliche empfinden.
Unter »Ewigkeit« stellen sich die
meisten Menschen eine Zeit vor, welche
kein Ende nimmt. Thatsächlich hat die
Ewigkeit nichts mit der Zeit zu schaffen,
sondern ist gleichsam der Ruhe- und
Stützpunkt, aus dem die Bewegung ent-
springt. Der Intellect hat kein Begriffs-
vermögen dafür, aber das Herz denkt
anders. F. Rückert sagt: »Was in mir
Ewiges denkt, muss ewig sein«.
Wir müssen das Ewige in uns selbst
finden, um zu erfahren, was Ewigkeit ist.
Ähnlich verhält es sich mit dem Worte
»Unsterblichkeit«. Alle sogenannten
Beweise, welche über die Unsterblichkeit
der menschlichen Seele erbracht werden,
können höchstens die Möglichkeit oder
Wahrscheinlichkeit darlegen, dass es eine
Fortdauer des Daseins nach dem Tode
des Körpers gibt. Den einzigen wahren
Beweis hat nur derjenige, der in seinem
Innern zum Bewusstsein des unsterblichen
Daseins gekommen ist. Dies ist aber nicht
die Sache unserer sterblichen Persönlich-
keit, sondern des unsterblichen Menschen
in uns. Die Bibel sagt richtig: »Es ist
niemand unsterblich, als Gott«.
Zahllose Bücher wurden schon in
Bezug auf »Gott« geschrieben und den-
noch hat wohl noch niemand den Sinn
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dieses Wortes intellectuell begriffen; denn
ein Gott, den ein Mensch begreifen könnte,
wäre weniger als ein Mensch und nicht
Gott. Nichts Geringeres als Gott selbst
kann Gott erkennen; um zu seiner Er-
kenntnis zu gelangen, müssen wir über
unsere angenommene Eigenheit hinaus-
gehen; dann aber hört mit dieser auch
unser eigenes Begriffsvermögen auf.
Man sagt, dass man zur Gottes-
erkenntnis nicht durch wissenschaftliche
Forschung, sondern durch den »Glauben«
gelangt, und es gibt wohl schwer-
lich ein Wort, das so vielfach missver-
standen und verkehrt aufgefasst wird.
Der richtige Glaube ist nicht, wie so
Viele meinen, das intellectuelle Fürwahr-
halten irgendeiner Lehre oder Meinung,
sondern, so wie St. Paul es lehrt (I. Korinth,
II. 5), »eine Kraft Gottes«, die sich
niemand selbst machen kann und die
nur Derjenige kennt, der sie besitzt.
Ähnlich ist es mit der »Hoffnung«,
unter welcher sich der Egoist die sichere
Erwartung irgendeines ihm zugute
kommenden Ereignisses vorstellt; aber
der Erleuchtete findet in diesem Worte
eine ganz andere Bedeutung. Für ihn
hat die Hoffnung nichts mit Eigennutz
zu schaffen. Wenn der Stern der Hoffnung
in seinem Innern aufgeht, so liegt die
Erfüllung seiner Wünsche bereits in ihm,
und er denkt dabei nicht an sich selbst.
Aber auch der Sinn des Wortes
»Selbst« ist wohl nur Wenigen völlig
klar; denn hiezu ist diejenige Selbst-
erkenntnis nöthig, welche identisch mit der
Gotteserkenntnis ist. In der That ist die
Fähigkeit, zwischen unserem wahren,
dauernden Selbst und unsererer ver-
gänglichen, angenommenen Eigenheit zu
unterscheiden, die erste Bedingung zur
Erkenntnis der Wahrheit und der Schlüssel
zu allen Geheimnissen im Universum.
Das eine, wahre Selbst ist ein »Kind
Gottes«, das andere ein Spiel der Natur.
Das eine ist der Gegensatz des andern,
und was in Bezug auf das erstere gesagt
wird, ist in Bezug auf das letztere falsch.
So können religiöse Lehren gleichzeitig
die höchste Weisheit und die größte
Lüge enthalten, nutzbringend oder ver-
derblich sein, je nachdem sie auf das
wahre oder das falsche Selbst angewandt
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