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wechselten mit kurzen Worten, ohne dass
die andächtige Versunkenheit, in der wir
uns gefielen, dadurch gestört worden wäre;
da richtete ich nun plötzlich, ohne Um-
schweife, an Wagner die Frage, ob er
sozusagen künstliche Mittel (nämlich:
die Hilfe der Wissenschaft und in-
tellectueller Kräfte) anwenden musste,
um sein Lebenswerk: »Rienzi«, »Tann-
häuser«, »Lohengrin«, den »Fliegenden
Holländer«, selbst die »Meistersinger« und
»Parsifal« (an den er schon damals dachte)
mit jenem so hohen und eindrucksvollen
Mysticismus zu füllen, der all diesen
Werken entströmt — ferner: ob er jenseits
von seinem persönlichen Glauben Freigeist
genug und unabhängig genug von seinem
Bewusstsein war, um ebenso christlich
zu fühlen, wie die Personen seiner lyrischen
Dramen — schließlich: ob er dem Christen-
thum gegenüber denselben Standpunkt ein-
nehme, wie die skandinavischen Mythen,
deren Symbolismus er in so herrlicher
Weise im »Ring des Nibelungen« zu
neuem Leben geweckt. In der That war
mir ein Ding, das dieser Frage Berech-
tigung gab, in »Tristan und Isolde« auf-
gefallen: der Umstand nämlich, dass in
diesem berauschenden Werke, in welchem
die intensivste Liebe geringschätzig
auf die Verblendung durch einen Liebes-
trank zurückgeführt wird, der Name
Gottes nicht ein einzigesmal
ausgesprochen erscheint.
Stets wird mir der Blick in Erinnerung
bleiben, den Wagner aus der Tiefe seiner
ungewöhnlichen blauen Augen nun auf
mich warf.
» Aber, wenn ich nicht« — ant-
wortete er lächelnd — »das lebende Licht
und die lebendige Liebe dieses christlichen
Glaubens, von dem Sie sprechen, gefühlt,
in meiner Seele gefühlt hätte, dann
wären ja meine Werke, die davon zeugen
und an die ich meinen Geist just so wie
die Frist meines Lebens wende, sie alle
wären ja dann Schöpfungen eines Lügners,
eines Affen! Wie hätte ich die Kinderei
begehen können, mich kühlen Herzens für
etwas aufzuregen, das mir nicht zu exi-
stieren und im Grunde ein Betrug schien?
Meine Kunst ist mein Gebet — und,
glauben Sie mir, kein wirklicher Künstler
singt Anderes, als das, woran er glaubt,
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spricht über Anderes, als über das, was
er liebt, schreibt Anderes, als was er
denkt; denn Jene, welche lügen, verrathen
sich in ihrem Werke, das sich bald als
unfruchtbar und wertlos erweisen muss,
weil niemand ein wirkliches Meisterwerk
ohne Uneigennützigkeit, ohne Aufrichtig-
keit zustandebringen kann.«
»Jawohl, wer aus niedrigem Interesse
— Erfolg oder Geld — in seinem angeb-
lichen Kunstwerke mit einem fingierten
Glauben Grimassen schneidet, verräth sich
selbst und bringt nur ein todtes Werk
hervor. Der Name Gottes, von solchen
Verräthern ausgesprochen, kann niemandem
Das in Wahrheit bezeichnen, was er zu
verkünden scheint; die Gottheit ist da
lediglich ein Wort, ein usurpiertes und
bis ins Höchste profaniertes Wesen, das
nichts als die Lüge Dessen an sich trägt,
der es gezeugt hat. Kein Mensch wird
sich von Derlei ergreifen lassen — der
Autor aber wird nur von seinen Geistes-
verwandten geachtet werden können, die
in seiner Lüge Das, was sie selber sind,
wiedererkennen. Ein flammender, heiliger,
bestimmter, unabänderlicher Glaube ist
das erste Kennzeichen des wirklichen und
echten Künstlers — denn in jeder Kunst-
schöpfung, die eines Menschen würdig sein
soll, greifen Kunst- und Lebenswert eng
ineinander: das ist die vereinigte Dualität
des Leibes und der Seele. Das Werk eines
Individuums ohne Glauben wird niemals
das Werk eines Künstlers sein, da es
stets diese lebende Flamme vermissen
lassen wird, die uns begeistert, erhebt,
bereichert, wärmt und stärkt; es wird
stets nach dem Cadaver riechen, den ein
frivoles Metier galvanisiert. Gleichwohl
müssen wir Folgendes beachten: Wenn
einerseits das Wissen allein nur ge-
schickte Dilettanten hervorbringen kann
— große Plünderer der »Processe«, Be-
wegungen und Ausdruckswerte, die sie
mehr oder weniger in der Mache ihrer
Mosaiken verbrauchen — und schamlose
Enteigner (»Démarqueurs«), die sich an-
passen, um Varianten zu geben, und
Tausende verschiedenartigster Funken sich
zunutze machen, die aber beim Austritt
aus dem erleuchteten Nichts ihres Geistes
alsbald verlöschen — so kann doch anderer-
seits der Glaube allein nur erhabene
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