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hinterlassen: »Aus der Werkstatt
eines Künstlers. Erinnerungen an den
Maler Hans von Marées aus den
Jahren 1880/81 und 1884/85. Als
Manuscript gedruckt.« Seine Absicht
dabei war, »von der Anschauungs- und
Arbeitsweise dieses Künstlers, wie sie
sich praktisch vom Beginn bis zum
Schluss einer Arbeit darstellte, ein
annäherndes Bild zu geben.« Die Schrift
hat daher hauptsächlich für ausübende
Künstler Interesse, speciell für Maler,
und ist unter diesen auch nur wenigen
bekannt, da sie leider bis heute nur
»als Manuscript gedruckt« existiert.
Sie verdient wohl, neugedruckt und
allgemein zugänglich gemacht zu werden.
Möge dies eine Anregung hiezu sein!
Dieser Schrift folgt meine Dar-
legung. Was ihr wörtlich entnommen
ist, setze ich in Anführungszeichen
und versehe es mit dem Zeichen P.
Keiner steht dem Verständnis, das
beim Betrachten eines Kunstwerkes
mit der Frage nach dem »Was?« beginnt,
ferner als Marées. Es wird dies aus dem
Folgenden erhellen.
Seine Werke sind das Resultat
einer großartigen, breiten und harmo-
nischen Welt-Anschauung, die den
Ausdruck ihrer Erkenntnisse bildne-
risch in Formen und Farben erreicht.
»Sehen lernen ist alles«, sagte er,
und erachtete das Auge für den
höchsten Sinn.
Marées ist ein Phänomen. Das an-
scheinend Anachronistische seiner Er-
scheinung verschwindet bei genauerer
Kenntnis seines Werkes, als vornehm-
lich der Absichten, aus denen es ent-
stand. Es war neulich in der »Wiener
Rundschau« eine Bemerkung zu lesen,
dass Marées an dem Unvermögen, die
Evolution des Materials zu begreifen
(oder mitzumachen), zugrunde gegan-
gen sei. Ich glaube das nicht, so
wenig ich glaube, dass, wie der Autor
jener Bemerkung annimmt, die Aus-
drucksmöglichkeiten der Schwarz-Weiß-
Kunst für heute oder jemals alles um-
fassen könnten, was an Gehalt nach
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Form verlangt. Marées war der ge-
borene Freskenmaler und ist von dem
Unglück verfolgt worden, das er mit
allen Denen in Deutschland theilt, die
Fresken malen wollten und konnten,
nie oder fast nie die dazu gehörenden
Wände zur Verfügung gehabt zu haben.
Eine einzige Ausnahme machen bei
ihm die Fresken in der Bibliothek des
Aquariums in Neapel (gemalt 1873).
Und sehnlichst wünschte er, mit ge-
reifter Erfahrung wieder vor solche
Aufgaben gestellt zu werden.
Er sagt: »Die grundfeste Mauer
ist eigentlich die einzige, der Würde
des Gegenstandes angemessene Maler-
tafel.« Die Arbeit an der Bildtafel auf
der Staffelei betrachtete er als Surrogat.
— Er malte in Ei-Tempera, die, wenn
man die Ölmalerei nach der Art ihrer
Bindemittel von allen anderen Arten
der Malerei trennt, zur Classe der
Wassermalerei zu zählen ist, zu der
auch die Freskomalerei gehört. Art und
Verwendung des Materials war bei
Marées, solange seine Ei-Tempera-Bilder
nicht mit Ölfarbe übermalt wurden,
durchaus freskenmäßig. Alle seine Bilder
sind in Ei-Tempera begonnen und auf
Kosten ihrer Schönheit (so versichert
Pidoll) später mit Harzfirnis-(Öl-)farben
übermalt und mehr oder weniger zer-
stört worden.
Pidoll erzählt:
»Im Winter 1880/81 hatte Marées
mehrere größere Arbeiten in Ei-Tempera
ausgeführt, worunter ein dreitheiliges
Wandbild, welches die Helena-Legende
zum Gegenstande hatte und folgender-
maßen angeordnet war: Das breite
Mittelbild stellte die drei sich um den
Apfel bewerbenden Göttinnen (ohne
Paris!) in einem Haine dar. Die Figuren
waren in aufrechter Stellung und ohne
Attribute. Das eine Flügelbild zeigt den
zum sitzenden Paris herabschwebenden
Hermes, das andere die Flucht der
Helena in Form einer Einschiffung.
Die decorative Umgebung der Gemälde
bildete eine tiefrothe Wand, welche mit
feinen Säulchen geziert war. Am Fuße
derselben, nahe an den Ecken der Ge-
mälde, standen und saßen sechs Putten.
Der Architrav, der nach obenhin einen
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