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baut. Dabei war er weit davon entfernt,
nach solchen Albernheiten wie Stofflich-
keit zu fragen. Sie ergaben sich aus
dem Material von selbst und wurden
nie mit Technik-Kniffen zu erreichen
versucht. Es ist auf seinen Bildern das
Material in seiner Helldunkelerscheinung
und Theilung in Formen, das am meisten
spricht, und zwar dadurch, dass es
völlig überwunden ist und man es ver-
gisst, obwohl man vor diesen qualvollen,
fingerdicken Farbflächen steht und aus
ihnen die wahnsinnige Arbeit, den furcht-
baren Kampf, den tragischen Zwiespalt
zwischen dem Wollen, dem einmal Er-
reichten, Gewesenen und dem Resultat
ersieht. Es täusche sich niemand, der
etwa weiß, was diese Bilder einmal waren,
bevor sie ein Pinsel voll Ölfarbe be-
rührte; sie sind jetzt Zeugen eines
vergangenen Kampfes, sind halbfertig
mit ihrem Leben, haben Lücken und
Wunden, aber sie sind ein Geschlecht,
wie noch keines da war. Und dieses
Geschlecht zeugt!
Marées nennt diese Werke selber
»nur Anfänge«. Er ahnte es oder war
dessen gewiss, dass das Streben nach
der Analysierung des Lichtes, welches
vergangenen Jahrhunderten als Object
der Darstellung unbekannt war, sowie
der Naturalismus dadurch, dass er
eine liebevolle Ehrfurcht vor jedem
Ding großzog, nur Keime waren für
die Geburt einer neuen, großen, sym-
bolischen Malerei, die, unabhängig von
jedem alten Stil, Ideen und Empfin-
dungen in einer Form geben kann,
die ihr freies Vermögen, eine Wirklich-
keits-Illusion zu geben, benützt, um
eine Vision der Welt zu zeigen, die,
eine andere in jedem Künstler, immer
überzeugend wirkt durch die Noth-
wendigkeit ihres Ausdrucks, der in
jedem Einzelnen modificiert ist »nach
der ihm eingeborenen Kraft und Gesetz-
mäßigkeit des Anschauungs- und Ge-
staltungstriebes.« (Marées.) ›Die Mache
soll im Kunstwerk verschwinden und
in der Vorstellung untergehen.« (Marées.)
Novalis sagt in den Fragmenten: »Der
Musiker nimmt das Wesen seiner Kunst
aus sich — auch nicht der leiseste
Verdacht von Nachahmung kann ihn
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treffen. Dem Maler scheint die sicht-
bare Natur überall vorzuarbeiten, durch-
aus sein unerreichbares Muster zu sein.
Eigentlich ist aber die Kunst des Malers
so unabhängig, so ganz a priori ent-
standen, wie die Kunst des Musikers.
Der Maler bedient sich nur einer un-
endlich schwereren Zeichensprache als
der Musiker; der Maler malt eigentlich
mit dem Auge. (»Sehen lernen ist alles.«
Marées.) »Seine Kunst ist die Kunst,
regelmäßig und schön zu sehen. Sehen
ist hier ganz activ, durchaus bildende
Thätigkeit. Sein Bild ist nur seine
Chiffre, sein Ausdruck, sein Werkzeug
der Reproduction.« Marées beobachtete
unausgesetzt. Aber er »unterdrückte in
seinem inneren künstlerischen Haus-
halte den einzelnen Fall gänzlich zu
Gunsten einer Verschmelzung mit dem
Ganzen seines persönlichen Vorstellungs-
schatzes«. (P.) Seine Beobachtungen
summieren sich zu Beobachtungsreihen,
aus denen die Vorstellungen seiner
Bilder erwachsen und die daher all-
gemein giltige, typische Formen er-
halten. Er braucht kein »Motiv«, keinen
Vorgang, kein geistiges, illustratives
oder Gefühls-Interesse, keine besonderen
Erscheinungsreize. »Ein biblischer oder
historischer Stoff ist ihm nur Vorwand für
bildnerische Gestaltungsvorgänge.« (P.)
Schließlich wurde jede Legende für ihn
überflüssig. Er weiß, dass »die directe
Benützung sogenannter Motive die freie
künstlerische Arbeit nur irrezuleiten
und zu beeinträchtigen vermag.« (P.)
Der Ausgangspunkt aller seiner Ent-
würfe war die Figur. Die isolierte
malerische Darstellung einer einzelnen
Figur bezeichnete Marées als die höchste
Aufgabe, die der Künstler sich stellen
könne; dies erfordere die größte Meister-
schaft. »Dazu möchte ich gelangen,
eine einzelne Figur con amore durch-
zuführen; hiezu gehören aber viele
ruhige Jahre«, sagte er. Wer denkt da
nicht an Lionardo und seine Schaffens-
art? Marées ist auch allemal in den
Entwürfen, die mehrere Figuren ent-
halten, von einer Figur ausgegangen,
deren Anordnung zu einer Gruppe in
Verbindung mit der umgebenden Land-
schaft oder etwaigen Figuren im zweiten
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