Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 5, S. 200

Text

200 KRITIK.

führung des »Starsystems«; ferner
gegen den Dilettantismus der Frau
Cosima und gegen allerhand
Schwächen der Bayreuther Diri-
genten, unter welchen der Leiter
des »Tristan«, Herr Mottl, wegen
seines »berechnenden und bis zur
charakterlosen Selbstentäusserung
gehenden Wesens« am schlechtesten
wegkommt.

Weingartner’s Ausführungen
hätten entschieden an Sachlichkeit
gewonnen, wenn er sich nicht öfters
auf die Meinung Anderer und auf
Coulissentratsch berufen hätte. Das
unedle, persönliche Motiv mehrerer
ausgetheilten Hiebe ist manchmal
so durchsichtig, dass es selbst dem
Nichteingeweihten deutlich er-
scheint.

Es war vorauszusehen, dass
Weingartner’s Anklagen in dem aus
flinken Streitern bestehenden Freun-

deskreise der Frau Cosima ein
Echo finden würden. Leider hat
aber auch die Erwiderung des Herrn
Gustav Schönaich in der »Neuen
Musikalischen Presse« keine Klar-
heit in die Sache gebracht; offen-
bar in begreiflich gereizter Stim-
mung geschrieben, ist sie zu
wenig massvoll gehalten. Zweifel-
los meinen es ja beide Herren
mit Bayreuth sehr gut, aber der
blosse Hinweis auf einzelne Uebel-
stände nützt einem Unternehmen
ebensowenig als fortgesetzte Rei-
bereien und Zwistigkeiten seiner
Freunde; ein Schaden entsteht jedoch
für Bayreuth, wenn jetzt auch die
Oberflächlichen und Fernestehenden
die vielleicht nicht ganz unrichtige
Schlussfolgerung ziehen werden, es
müsse etwas faul sein im Staate
Bayreuth. H. K—r.



Herausgeber und verantwortlicher Redacteur: Rudolf Strauss.

Ch. Reisser & M. Werthner, Wien.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 5, S. 200, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-05_n0200.html)