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Concerte. Der Barytonist Herr
Edmund Neumann darf das Ver-
dienst für sich in Anspruch nehmen,
das Publicum mit zwei Liedern
des begabten, jungen Componisten
Hugo Kobler bekanntgemacht
zu haben. Das erste, »Schmetter-
ling, Rose und Sonne«, ist in seiner
frischen Melodik und bei aller Ein-
fachheit stimmungsvollen Harmonie
von entzückender Liebenswürdig-
keit, das zweite, eine humoristische
Ballade, »Wein, Weib und Gesang«
betitelt, bildet eine werthvolle Be-
reicherung unserer heiteren musi-
kalischen Lyrik. Durch kecke Ur-
sprünglichkeit wirkt gleich das
rhythmisch scharf charakterisirte
Hauptmotiv, von dem sich der
feinempfundene Seitensatz in B-dur,
der die Macht der Minne besingt,
sehr glücklich abhebt. Wir hoffen,
dem Namen des Componisten, von
dem wir bereits eine von Erfin-
dungskraft und Bühnentalent zeu-
gende komische Oper, »Die Oster-
hochzeit«, kennen, auf unseren in
Monotonie untergehenden Concert-
programmen nunmehr häufiger zu
begegnen. — — — Vor einigen
Tagen fand auch ein Liederabend
Hugo Wolfs statt. Auf dieses hoch-
interessante künstlerische Ereigniss
kommen wir in der nächsten Num-
mer ausführlicher zurück.
B.
Hohe Lieder von Franz
Evers. Verlag von Schuster und
Löffler, Berlin.
In den beiden Bildern, die
Fidus den Gedichten als Um-
schlagzierde gegeben hat, liegt
eine tiefe Symbolik: die ehernen,
mächtig ragenden Reckengestalten
mit dem starren Blick, die kräftigen
Hände auf den Griff der Frame
gestützt, Stolz, Stärke, das Gefühl
der Unbezwinglichkeit ausgeprägt
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im regungslosen Verharren — und
dann wieder ein herrlich schönes,
schmerzdurchwühltes Frauenantlitz,
das mit unsäglichem Jammer vor
sich hinstarrt, »lasciate ogni espe-
ranza Die Dornenkrone drückt
zu sehr «
So sind auch die »Hohen Lieder«:
eine weichliche Mondscheinlyrik,
keine dämmernde, gefühlheuchelnde
Romantik, klar und durchsichtig
trotz der Tiefe wie ein grüner,
heller Gebirgssee, der selbst das
kleinste Steinchen am Grunde
blicken lässt. Aber echtes
Empfinden spricht aus diesen
Rhythmen, Dichters Ahnung der
»Glocke«, von der Andersen’s
unbeschreiblich schönes Märchen
erzählt — die reinen Schwin-
gungen, in denen der Aether
schwebt, zittern nach im Busen
des horchenden Sängers. Die ge-
heimnissvollen Stimmen der deut-
schen Haide, die Abende, schwei-
gend, lautlos und doch durch-
woben von tausend unhörbaren,
nur das sensitive Ohr der Seele
treffenden Rufen, die Nächte im
Moor, sie weiss Evers zu er-
lauschen. Oder es spricht aus seinen
Liedern die tiefste Melancholie: es
wühlt und wogt in der Brust des
Dichters wie in dem Weibe mit
der corona di spine, ein »hohes
Lied« ertönt — aber ein Hohe-
lied des Schmerzes, der Selbst-
quälung, der Unzufriedenheit; man
glaubt nicht, dass es derselbe
Evers ist, der demselben Saiten-
spiel so grundverschiedene Töne
zu entlocken weiss: hier ein Recke,
der die starren Augen ruhig zum
Himmel erhebt, und dort eine
kummervolle Dulderin, welche die
Dornenkrone trauernd, aber er-
geben trägt.
Alfred Neumann.
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