Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 9, S. 321
Text
Wiener Rundschau.
15. MÄRZ 1897.
EIN EINSIEDLER.
Von Gustaf af Geijerstam.
Autorisirte Uebertragung aus dem Schwedischen von Francis Maro.
Niemand, der je vorbeigefahren ist, hat umhin können, ein wunder-
liches Gebäude zu bemerken, das am Waldessaum gerade an dem
Punkte liegt, wo der Weg zur Ebene hinabbiegt. Es ist ein viereckiges
Haus, dessen Dach sich zu einer Spitze erhebt. Aus dieser Spitze ragt
ein Schornstein empor, und wenn das Wetter schön ist, kann man zu-
weilen sehen, wie sich blauer Rauch daraus ringelt. Blickt man näher
hin, so wird man finden, dass die Thüre des alten, recht verfallenen
Gebäudes nicht selten verschlossen und der Schlüssel herausgenommen
ist. Man kann dies oft beobachten, gerade wenn der blaue Rauch sich
aus dem gemauerten Schornstein emporringelt.
In diesem Hause wohnte ein seltsamer Einsiedler, der Per hiess.
Kein Mensch nannte ihn anders als Per, und Niemand dachte daran,
dass er einen vollständigeren Namen haben könnte. Er hatte nun so
viele Jahre dort gewohnt, dass man sich auch nicht länger den Kopf
darüber zerbrach, warum er eigentlich da wohnte. Allein war er nicht,
denn ein armes, altes Weib versah seinen Haushalt. Auch nicht müssig.
Denn Per war Schmied, und die Bauern pflegten bei seinem Häuschen
Halt zu machen, um ihre Pferde beschlagen zu lassen. Ausserdem hatte
er sein eigenes Ackerland und sein eigenes Gärtchen. All dies war seit
lange so geordnet, und es hatte sich in die Gedanken der Anwohnenden
eingewachsen, dass es gar nicht anders sein konnte.
Wie es zugegangen war, dass Per Schmied wurde, das wusste
eigentlich Niemand, wenn auch Jedermann seine Vermuthungen haben
konnte; aber dass dem ein Geheimniss zugrunde lag, das wussten Alle.
Denn Per war der älteste Sohn eines reichen Bauern, und es war eigent-
lich eine Ungerechtigkeit, dass er die Pferde der Bauern beschlagen
und ihre Schlösser verfertigen sollte.
Aber Per hatte es nie verstanden, seinen eigenen Vortheil wahr-
zunehmen und war stets ein wunderlicher Kauz gewesen, noch als er
ein ganz junger Mann war und Niemand etwas Anderes denken konnte,
als dass er einmal den Hof nach dem Vater erben würde. Und dass
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 9, S. 321, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-09_n0321.html)