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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 281

Text

Wiener Rundschau.


1. MÄRZ 1897.


STUMMER KAMPF.
Skizze von Maria Janitschek (Berlin). I.

Die Andern waren schon versammelt, als Thorwalt’s mächtige
Gestalt unter der Thüre erschien. Er bot ihnen seinen Gruss und nahm
am Kopfende des Tisches Platz. Die Andern liessen sich ebenfalls
nieder. Dann begann man zu essen. Der Stuhl zur Rechten des Greises
war unbesetzt. Links von ihm sass eine wie aus grobem Eisen gehärtete
Gestalt, sein Sohn Ulf, diesem gegenüber dessen Gattin, ein stark-
knochiges Bauernweib mit herbem, verschwiegenem Gesichte. Neben
sich hatte sie ihre beiden Töchter. Die Reihe der Mägde eröffnete ein
ganz junges Dirnlein. Gegenüber sassen Ulf’s Knaben und die Knechte.

Es wurde wenig beim Mahle gesprochen und das Wenige mit
leiser, flüsternder Stimme. Die weite, gewölbte, fast hallenartige Stube,
in deren Hintergrund das Feuer auf einem riesigen Herde flackerte,
besass nicht das geringste Schmuck- oder Zierstück. Die braun-
geräucherten Wände waren kahl, das kleine Fenster, das auf das
grünliche Wogenspiel der See hinaussah, ohne Vorhang. Nur Tisch
und Stühle und ein mächtiger Schrank befanden sich in dem Räume,
der sein Licht hauptsächlich von dem grossen Feuer auf dem Herde
erhielt. Von draussen liess sich das Pfeifen des Windes vernehmen.

»Hast du die Boote festlegen lassen?« fragte der Alte. »Es wird
eine unruhige Nacht geben.«

»Ja, Vater, die Boote sind festgelegt.« Der Sohn schob den
Löffel zurück.

»Die Gerste ist in der Scheune untergebracht?«

»Ja, sie ist in der Scheune untergebracht.«

»Hat Lomblad die Bretter geschickt?«

»Nein.«

»Weshalb nicht, da ich sie doch bestellt habe?«

»Der Junge war nicht anwesend und der Alte —«

»Was?«

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 8, S. 281, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-08_n0281.html)