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Burgtheater. Die
ver-
sunkene
Glocke von Gerhart
Hauptmann.
Als Gerhart Hauptmann’s
»Florian Geyer« gefallen war, schrieb
er die Märchentragödie von der
»versunkenen Glocke«. Es war in
Wirklichkeit das Trauerspiel von
dem Fall, von der Niederlage des
»Florian Geyer«. Das heisst: nicht
etwa der Misserfolg dieses Stückes
selbst findet im neuen Werke sich
gespiegelt, sondern ich meine, des
»Florian Geyer« unrühmliches Ge-
schick war der äussere Anlass, der
mächtige Erreger der Seelenstände,
die den Dichter zum Schaffen der
»versunkenen Glocke« trieben. Er
glaubte nach Hohem, nach Höchstem
gestrebt und es nicht erreicht und
nicht vermocht zu haben. Und da
überfiel ihn die tiefe Verzweiflung
und dieses verzehrende Schwäche-
gefühl, dem er sein stärkstes, ge-
waltigstes, wuchtigstes Drama ver-
dankt. Bebend hatte er nach den
Gründen seiner trüben Kraftlosig-
keit gesucht, und da er sie ge-
funden oder gefunden wähnte,
quälten und peinigten sie ihn so
trostlos lange, dass er es fühlte,
der Schmerz sei nur zu bannen,
wenn er ihn tapfer sich von der
Seele schriebe. So gab er uns »Die
versunkene Glocke«, dieses rührende
Bekenntnisswerk des Schwachen,
der zu den Bergen will und doch
nur Thalmensch ist, der auf den
Höhen nach der Ebene drängt und
in den Niederungen nach den
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Gipfeln, und der an diesem tiefen
innerlichen Risse mälig und sicher
am Ende verblutet. Gerhart Haupt-
mann hat diesen heissen Kampf
in einem unendlich schönen, feier-
lich-düsteren Märchen symbolisirt
— die einzige Art und die einzige
Form, in welcher psychische Phä-
nomene, rein seelische Krisen in
äusserer Handlung auf die Bühne
gerückt werden können. Aber die
Darstellung, die das so gewordne
Stück im Burgtheater neulich fand,
liess seinen weiten Sinn und seine
intime Bedeutung auch nicht im
Entferntesten ahnen. Herr Hart-
mann verstand es ganz und gar
nicht, die goldenen Schleier seiner
Rolle zu lüften und die wilde, fast
neurasthenische Zerrissenheit empor-
stürmen zu lassen, die tief in
Heinrichs Wesen wurzelt. Er
ist für dieses höchst persönliche
Porträt eines complicirten, deca-
denten Künstlers zu simpel, zu
kraftvoll, zu gesund. Auch Herr
Robert, nach dem so Viele riefen,
wäre der geeignete Mann nicht ge-
wesen; nur Einen, einen Ein-
zigen hätte es gegeben: den feinen,
blassen, nervösen Josef Kainz.
— So lange wir ihn nicht haben,
sollten wir auf »Die versunkene
Glocke« verzichten. Mit der Dar-
stellung des Heinrich steht und
fällt ja das ganze Stück. Nur
wenn man ihn, den Träger der
Idee, begreift, geht einem der Sinn
und die Hülle der Symbole auf,
die alle sich eben auf Heinrich
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