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mit Ausgrabungen verstaubter Parti-
turen und fördert: »Chilperich«,
Offenbach’s »Blaubart«, »Die Gross-
herzogin von Gerolstein« und an-
dere mehr oder minder vergilbte
Raritäten zu Tage; nicht zu seinem,
nicht zu des Publicums Schaden:
die Melodien des leichtsinnigen
und in seiner Art genialen Parisers
sind trotz ihres canonischen Alters
noch immer willkommener als die
geistlosen Novitäten, die andere
Vorstadtbühnen jetzt bieten; selbst
wenn die fade Pille als Ueber-
zuckerung den Namen eines einst
mit Recht gefeierten Componisten
trägt. Dass man die Bespöttelung
der Duodezwirthschaft nicht mehr
actuell findet, ist bemerkenswerth:
Gerolstein ist in den letzten Tagen
einem anderen Kleinstädtchen
wieder recht nahe gerückt, wo
sogar das rapide Avanciren vom
abgestraften Kellner zum »Rath-
geber des Reiches« leicht möglich
ist, ähnlich dem raschen Aufrücken
des Gemeinen Fritz zum Chef-
general Fräulein St?jan sang,
spielte und cancanirte zur Zu-
friedenheit eines zahlreich er-
schienenen, sachverständigen Publi-
cums; sonst aber stand ihre
Leistung nicht ganz auf der Höhe
der gestellten Ansprüche: zum
Decolletiren und anderen stark
begehrten Reizungen gibt die Rolle
keinen Anlass; so gingen sie denn
traurig, fast unbefriedigt nach
Hause
A. N—nn.
Satans Kinder. Roman
von Stanislaus Przybyszewski.
Paris, Leipzig, München. Verlag
von Albert Langen, 1897.
Przybyszewski ist das Prototyp
der Leidenschaft: aus seinen Ro-
manen, seinen Skizzen, seinen
Studien sprüht und spritzt und
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flackert die grelle, verzehrende
Lohe auf, die sein Inneres ver-
wüstet und die in diabolisch-
anarchische Gedanken, in dämoni-
sche Exaltationen, in hypersensitive
Gefühlsverwirrung verflammt. Eine
wilde, zerrissene Sprache schildert
bizarre Principien, seltsame, welt-
fremde Menschen, behandelt ver-
fehlte, abstracte Probleme. Was
das gewöhnliche Individuum ohne
zu denken hinnimmt — Existenz
im Weltgetriebe, Mitmenschen, Be-
ruf, Zeitfragen — das wird in den
Augen Przybyszewski’s zur furcht-
baren Thatsache, die er spitzfindig
und selbstquälerisch nach allen
Seiten hin dreht und wendet, bis
den Beobachter ein geheimes, tiefes
Grauen vor etwas Unbestimmtem,
Schrecklichem erfasst, dem alles
Lebende verfallen ist; in dieser
seiner Weise ähnelt der Pole den
anderen Literatur-Neurasthenikern
Iwan Turgenjew, Knut Hamsun,
Friedrich Nietzsche, Fedor Dosto-
jewsky; dass auch der Palladist
Baudelaire nicht ohne Einfluss auf
ihn blieb, beweist sein neuestes
Werk »Satans Kinder«. »Jeder,
der Angst hat, Jeder, der ver-
zweifelt die Zähne in ohnmächtiger
Wuth aneinanderpresst, Jeder, der
das Zuchthaus streift, Jeder, der
hungert und gedemüthigt wird,
der Sclave, der Sträfling und der
Dieb, der Literat, der keinen Erfolg
hat, und der Schauspieler, der aus-
gepfiffen wird — sie Alle, Alle
sind Satans Kinder, die durch ein
unsichtbares Band verknüpft werden
zu gemeinsamem Thun.« Ihr Typus
ist Gordon, der »König vom neuen
Syon«, eine seltsame Figur: er
vereinigt das Uebermenschliche
Nietzsche’s, das »Jenseits von Gut
und Böse«, den wilden Wahnsinn
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