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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 12, S. 477

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CHRONIK. 477

das schlechte Deutsch, das er an ihn verschwendet hat, fände
gewiss seine Anhänger. Dieser Extract aus allen literarischen Moden
der letzten Wochen, der Dunst von falschem Fin de siècle, in den das
Ganze gehüllt, der schwüle und schwülstige Styl, in dem es geschrieben
ist und der den Eindruck erweckt, als ob hier ein Mitglied der zweiten
schlesischen Dichterschule die Barrisons vorausgeahnt hätte — dies
Alles wäre sicher geeignet gewesen, die Unklarheit, die hierzulande
über Begriff und Wesen der modernen Literatur herrscht, zu steigern,
ernste Bestrebungen gründlich zu compromittiren. Aber Lindner hat
sich verleiten lassen, sein Werk als die Uebersetzung aus dem
Französischen eines angeblichen Vicomte d’Aubecq herauszugeben,
und je heftiger er uns einzureden sucht, dass ein französischer Autor
dieses Namens wirklich existire, desto rascher durchschaut auch der
ungeübteste Leser den längst abgenützten Tric. Für den Pariser sind
die Barrisons als der Auswurf des Variété abgethan; es ist ein specula-
tiver Wiener, der ihrem Auftreten im Etablissement Ronacher die Be-
deutung eines Culturereignisses zuschreibt.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 1, Nr. 12, S. 477, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-01-12_n0477.html)