Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 17, S. 646
Text
Von Ferdinand Kürnberger (Wien). IV. AUFZUG.
(Schluss.)
V. Scene.Messis. Memling.
Messis (fliegt mit dem Ausbruche ungestümer Freude an Memling’s
Hals). Ich habe gesiegt, Meister, ich feiere den schönsten Tag meines
Lebens!
Memling. Das habe ich nicht erwartet! Dagobert und diese
Niederlage! So kann die Leidenschaft jedes menschliche Vermögen
auslöschen!
Messis. Kommt zu Euch, Meister! Bin ich nicht auch Euer
Schüler? Ihr gönnt mir nicht mein Glück.
Memling. Sein Fall war tief, er muss mich erschüttern! — Ja,
Ihr habt gesiegt, Messis. Der Streit ist entschieden. Und hoffen wir,
dass Euer Glück ihn selbst nicht zu unglücklich macht. Die raschen
Flammen sind’s, die schnell verlöschen. Es wird vertoben, dann hat
auch er noch eine Zukunft. Also Glück auf, mein Sohn! Ihr habt das
grosse Los gezogen. Ihr seid mit Eurem Leben im Reinen. — Folgt
mir zu Werner Hildebald!
Messis. Köln am Rhein! Das hab’ ich geahnt, als ich in deine
Thore zog. Sei umschlungen mit deinen Mauern und Thürmen, sei
geküsst, Hochschule der deutschen Kunst! O Meister, was bedeutet
mir diese Stunde!
Memling. Fasst Euch in der Trunkenheit Eures ersten
Triumphes. Ihr habt jetzt vor einem Manne zu erscheinen, der Eueren
Jubel leicht auch wie Schadenfreude oder Gewinnsucht deuten könnte.
— Mässigt Euch darum, seid ernst und besonnen. — Kommt!
Messis. Wohin, Meister?
Memling. Hat Euch die Freude um alle Sinne gebracht? Zu
Werner Hildebald sagt’ ich ja schon.
Messis. Zu Hildebald? Was sollen wir dort und jetzt?
Memling. Den Preis Eueres Sieges in Empfang nehmen. Dem
würdigen Bürger Euch als Eidam vorstellen. Kommt, kommt. Er ist
voll Harren und Erwarten über die Entscheidung hier.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 17, S. 646, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-17_n0646.html)