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Hauptthema der Oper etwas trivial
gehalten ist und sich deshalb sicher-
lich viel Freunde schaffen wird.
Trotz der vielen musikalischen
Schönheiten dürfte »Dalibor« keine
Repertoire-Oper werden. Dem armen
Smetana, dem keine der schweren
Prüfungen eines traurigen Künstler-
schicksals erspart blieb, sollte nie
der sehnliche Wunsch, einen
seiner dramatischen Begabung ent-
sprechenden Stoff zu finden, in
Erfüllung gehen. Am allerwenigsten
das Ideal eines Operntextes ist das
an abgebrauchten Schablonensitua-
tionen und falschen Affecten reiche
Buch zu »Dalibor«, wenn wir uns
auch vor Augen halten müssen,
dass vor 30 Jahren das Publicum
an ein Libretto noch keine hohen
Anforderungen stellte. Smetana
fand auch hier in seiner Kunst
die Trösterin, und so componirte
er nicht den passiven, traurigen
Titelhelden der Wenzig’schen Oper,
sondern der czechische Held Ritter
Dalibor und die wundersamen
Weisen seiner Geige sind es, die
in Tönen zu uns sprechen.
H. K—r.
Theater a. d. Wien. »Die
Bohème«. Scenen in vier Bildern
von G. Giacosa und L. Illica,
Musik von Giacomo Puccini.
Die beiden grossen Firmen des
italienischen Musikverlags liegen
seit vielen Jahren in grimmer
Fehde. Den grossen Trumpf, der
den Gegner in den Staub streckte,
spielte Herr Sonzogno mit der
»Cavalleria« aus; aber der Livor-
neser Meteor scheint erloschen zu
sein, und nur von Zeit zu Zeit
dringen Nachrichten aus der Werk-
stätte Mascagni’s über Selbstmord-
versuche, neue Opernpläne, färbige
Cravatten und Westen, Spielver-
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luste in Monaco und dergleichen
künstlerische Angelegenheiten zu
uns. Der Gegner Riccordi hat
sich inzwischen von seinem Schlage
erholt und hat nun seinen —
Puccini. Aber bei uns in deutschen
Landen ist man jetzt auch klüger
und vorsichtiger geworden. Mit
grosser Beschämung denkt man
an die Tage des Mascagnirummels
zurück, wo Alles den Kopf ver-
loren hatte, wo an die hundert
deutsche Componisten, uneinge-
denk ihrer classischen Vorbilder
und ihres Richard Wagner, ein-
actige Opern mit Intermezzis im
italienischen Style schrieben, und-
wo ein Preisgericht von ersten
deutschen Musikern einen schwa-
chen Abklatsch der »Cavalleria«
als beste deutsche Oper mit dem
Preise krönte. Deshalb ist man
gegen Puccini’s Werk mit Recht
misstrauisch gewesen. Vor vier
oder fünf Jahren hätte man es
noch blindlings bejubelt! Wir
wollen nicht ungerecht sein: Eine
sichere Beherrschung des Orchesters,
viel Sinn für Stimmungsmalerei
und eine gewisse Grazie, die
manchmal nur etwas erkünstelt
scheint, sind ja sehr schöne
Eigenheiten. Wenn aber der ver-
bindende Kitt einer selbständigen
Erfindung fehlt, so können sie
uns nicht genügen. Puccini sucht
diesen Defect durch originell sein
sollende Maasslosigkeiten und Ver-
gewaltigungen, wie z. B. durch die
widerliche Quintenparade zu Be-
ginn der zweiten und dritten Scene
zu ersetzen. Um sich solch sinn-
lose Verspottung aller Regeln der
Harmonielehre erlauben zu können,
muss man bereits grössere Talent-
proben abgelegt haben als Herr
Puccini — und auch dann nicht:
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