Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 23, S. 901

Deutsches Volkstheater Hof-Operntheater

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Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 23, S. 901

Text

NOTIZEN.

Deutsches Volkstheater.
»Annas Traum.« Volksstück von
Adolf L’Arronge.

Es gibt Stücke, die schon der
Schauspieler wegen nicht gegeben
werden sollten. Sie sind so tief
verlogen und gefälscht, dass sie
dem Wesen jedes Mimen die
bitterste Gefahr bedeuten. Zu diesen
Stücken zählt auch »Annas Traum«,
ein ödes Machwerk, das alle Cor-
ruptionen einer heuchlerischen Sen-
timentalität, alle Flecken einer ver-
rosteten Technik, alle Trocken-
heiten einer verstaubten Kaufmanns-
seele bietet Hat dieses Werk
Herrn Bukovics gefallen? Ich hoffe:
Nein! Vielleicht besitzt er doch
die Fähigkeit, ein schlechtes Stück
als solches zu erkennen, und
nur die weitre Einsicht mangelt
ihm, es dann auch nicht zu geben.
Aber sehr wahrscheinlich oder sehr
bedeutsam für sein Ansehn ist
diese feine Scheiung nicht.

R. St.

K. K. Hofoper. »Dalibor
Oper in drei Acten von J. Wenzig.
Musik von Friedrich Smetana.

Herr Mahler hält mehr als uns
Director Jahn je versprochen. Von
der richtigen Erkenntniss aus-
gehend, dass das Vorjahr mit seinen
schlaffen Leistungen für unsere
Oper ein Jahr der tiefen Trauer
war, liess uns gleich sein Antritts-
programm auf eine entschiedene
Wendung zum Besseren hoffen.
Die Neueinstudirung des »Nibe-
lungencyklus«, »Figaro« und des

Lortzing’schen »Czar und Zimmer-
mann« waren den Worten rasch
gefolgte Thaten, und durch die
Aufführung des »Dalibor« ist das
Unrecht theilweise wieder gut-
gemacht, welches Smetana durch
die Repertoireabsetzung seines reif-
sten Werkes »Das Geheimniss« zu-
gefügt worden ist.

Ein flüchtiger Einblick in die
Partitur zeigt uns sofort alle Eigen-
heiten des Componisten, die uns
bereits bekannt und lieb geworden
sind; allerdings gehört das obstinate
Festhalten mancher Motive und
der allzu häufige Gebrauch von
Sequenzen nicht hiezu. Wenn
»Dalibor« auch die musikalische
Einheit des obgenannten Meister-
werkes und die reiche Erfindung
der »Verkauften Braut« abgeht, so
finden wir dafür einen bei Smetana
neuen, romantisch-ritterlichen Zug,
der zwar manchmal ans Sentimen-
tale streift, aber dem Werke eine
ganz aparte Stimmung verleiht;
wir erinnern nur an den eigen-
thümlichen Reiz der Trompeten-
und Paukenstellen zu Beginn der
Oper und an das heroische, leit-
motivisch verwendete Dalibor-
Thema. Von ebenso viel musikali-
schem Geschmack als grosser
Bühnenkenntniss zeugen das im
Aufbau an das Rheingoldvorspiel
gemahnende Entrée des Königs,
die ergreifende Anklage der Milada
und das herrliche Liebesduett des
zweiten Actes, während das als
Zdenko-Motiv gedachte zweite

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 1, Bd. 2, Nr. 23, S. 901, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-01-02-23_n0901.html)