Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 1, S. 37

Der Kampf der Schwachen gegen die Schwachen (Schik, F.)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 1, S. 37

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SCHIK. 37

worunter aber nur verstanden werden darf: das Wesentliche aus
Actualitäten zu ziehen und in der historischen Linie zu verwerthen,
den übrigen Ballast aber bei Seite zu werfen — kann nur gesteuert
werden, wenn man auf Mittel sinnt, das geistige Verarbeitungsbedürf-
niss der Massen zu steigern, diese zu gewöhnen, aus dem Chaos von
Vorkommnissen den Kern der Dinge herauszufinden.

Das jetzt herrschende demagogische Pathos umnebelt die Zu-
sammenhänge eines Gedankens und raubt so die Fähigkeit, mit ihm
frei zu schalten. Die normale Temperatur einer politischen Idee wird
bis zur Gluthhitze gesteigert, um in dem Einzelnen alle Organe einer
Kritik von vorneherein abzusengen. So werden die Massen isolirt, in
einen entlegenen Hinterhalt gelockt, wohin die warnenden Stimmen der
Intelligenzen nicht mehr zu dringen vermögen.

Die Anstrengungen, sich doch noch vernehmlich zu machen, das
Herunterschrauben auf das tiefe Verständnissniveau der Zurück-
gebliebenen schwächt aber auch die, welche berufen wären, den all-
gemeinen Verfall aufzuhalten. Und es fehlt nicht viel, so wird bald
Niemand mehr da sein, der nicht dazu beitrüge, den Wirrwarr zu
vergrössern.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 1, S. 37, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-01_n0037.html)