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Deutsches Volkstheater.
»Bartel Turaser«, Drama in
drei Acten von Philipp Lang-
mann. — Dieses Stück hat einen
starken theatralischen Erfolg er-
zielt. Aeusserlich hätten die von
unserer Censur noch immer ver-
botenen Hauptmann’schen »Weber«,
deren Abklatsch »Bartel Turaser«
ist, auch nicht stärker durch-
schlagen können. In keiner Wen-
dung ist der neuzeitliche, social-
demokratische Geist zu verspüren,
der in seiner Ursprünglichkeit die
aus Jahrhunderten hergeleiteten
Traditionen unserer Gesellschafts-
ordnung durchbricht. Die Färberei-
arbeiter Langmann’s unterscheiden
sich in nichts von ihren vormärz-
lichen Genossen. Sie stehen noch auf
dem Standpunkt, dass einzig und
allein der Unterschied zwischen Arm
und Reich die Menschen scheidet,
während heute auch ein ärmster
Teufel als Gesinnungsbourgeois
und der reichste Millionär als Ge-
sinnungssocialist sich erkennen
lassen kann. Nicht auf die äusseren
Umstände, in denen sich ein Mensch
befindet, kommt es vornehmlich
an, sondern auf die Spannkraft
seines Geistes, die unabweisliche
Zukunftsentwicklung des Menschen-
geschlechtes schon auf unsere
Gegenwart einwirken zu lassen.
Welche socialen Gemüthsbewe-
gungen gehen in »Bartel Turaser«
vor? Er lässt sich für zweihundert
Gulden vom Färbermeister zu
einer falschen Zeugenaussage in
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einem Ehrenbeleidigungsprocess
gegen eine Arbeiterin verleiten.
Gewissensbisse ohne socialen Ein-
schlag treiben ihn schliesslich, sich
dem Gerichte selbst zu stellen.
Durch seinen Meineid hatte er
bewirkt, dass seine Färbereige-
nossen vom schlechten Färber-
meister entlassen wurden; durch
seine Selbstanzeige macht er’s
wieder dadurch wett, dass dieser
nun mit ihm ins Criminal kommt.
Auf solche Grossthaten ist die
heutige, alle Staaten umfassende
Arbeiterorganisation nicht mehr
angewiesen.
—i—
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Levetzow’s neueste Dich-
tungen.1) Die »Höhenlieder«
Levetzow’s symbolisiren sich in
dem Titelblatte des Buches. Sie
schweben in einer Höhe, wo die
blaue Luft in einen milchweissen
Aether verschwimmt, und es sinkt
von ihnen ein rother Blitz nieder
zwischen die schwarzen Berges-
spitzen der alten Erde. Und
daneben haucht eine farblose
Asphodelusblume den Namen des
Autors.
Dieser Name ist bereits wohl-
bekannt. Die »Lieder eines Andern
von Ihm selbst« haben Levetzow
viele Bewunderer gewonnen, aber
auch manchen Gegner in Harnisch
gebracht. Freilich kann man nicht
1) Höhenlieder. Gedichte und
Aphorismen von Carl Freiherrn von
Levetzow. Wien, Carl Konegen,
1898.
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