Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 3, S. 116

Österreichische Logik (Schik, F.)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 3, S. 116

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ÖSTERREICHISCHE LOGIK.
Von F. Schik (Wien).

Da sich die in das Ministerium Gautsch gesetzten Hoffnungen,
wieder parlamentarische Zustände herbeizuführen, nicht erfüllt haben,
dürfte dessen Bestand für längere Zeit gesichert sein. Man ist wieder
beruhigter, weil Alles so eingetreten ist, wie man befürchtete. Die Auf-
regungen, die das Regime Badeni verursachte, sind nun einer un-
parlamentarischen Ruhe gewichen. So hat denn Gautsch spielend erreicht,
was sein Vorgänger mit allen Mitteln anstrebte.

Die Kundgebungen der Majoritäts- und der Minoritätsparteien
anlässlich des Abbruches der Verhandlungen zwischen dem neuen
Ministerium und den Parteien lassen an Unvereinbarkeit nichts zu
wünschen übrig. Allseitig wird deshalb die Hoffnung auf einen gün-
stigen Ausgang der Parlamentskrise ausgesprochen. Zwar sind die
meisten Abgeordneten bereits in ihre heimatlichen Wahlbezirke ab-
gereist, aber die Langweile, die sie dort beschleichen dürfte, und die
bösen Träume, die ihnen während des unconstitutionellen Schlafes
kommen werden, müssen schliesslich dahin führen, dass man sich der
Tragik der vergangenen Ereignisse immer weniger bewusst wird.

Mit den Aussichten für den Ausgleich können wir zufrieden sein.
Der blutige Föderalismus, wie er bei uns am Horizont aufsteigt, hat
die Ungarn plötzlich stutzig gemacht. Wir führen ihnen ein Schauspiel
vor, das in der Folge auf die in ihrem Land unterdrückten Nationali-
täten nicht ohne Wirkung sein könnte. Eine weitere Schwächung unserer
Reichshälfte kann daher nicht in ihrem Interesse liegen. So wird nun
der Ausgleich zustande kommen, obwohl von unserer Seite Alles ge-
than wurde, ihn unmöglich zu machen.

Auch mit den Sprachenverordnungen wird man sich nunmehr
versöhnen können. Die Deutschen waren nach deren Erlassung in
grösster Aufregung, die Tschechen würden es durch deren Aufhebung sein.
Es geht also nicht an, beide Nationen durch ein und dasselbe Aus-
kunftsmittel zu beruhigen. So wurde zu Gunsten der Deutschen der
Urheber Badeni aufgehoben, zu Gunsten der Tschechen seine Verord-
nungen belassen.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 3, S. 116, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-03_n0116.html)