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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 4, S. 146

Text

DIE NEBEL WALLEN.

Ich denk’ an die blassen Frauen,
Die nur in den Träumen erstehen,
Weil das Leben zu gierige Winde hat.

Und weil sein Wehen
Die schmalen Leiber wie späte Blätter
In die kalten Beete triebe,
Wo schon der Winter kauert.

Mein Herz erschauert und meine Lippen beben.
Der Sommer war purpurn, doch mir dauerte
Er nur wie eine Liebe
So lang, und der Winter vermauerte
Mit hohem Schnee mein Haus.
In den dunklen Räumen
Harren meine Träume aus.

Und die blassen Frauen
Gewinnen Leben
Und Blut in die Wangen —
Meine Gedanken
Füllen die langen
Winternächte mir minniglich aus.

München. Arthur Holitscher.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 4, S. 146, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-04_n0146.html)