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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 6, S. 210

Text

210 GEMBERG.

sie auf den schmutzigen, roh gezimmerten Tisch, neben welchem
er steht.

Langsam, mit gemessenen Bewegungen zieht er aus seiner Tasche
eine Goldrolle nach der andern, bricht sie auf und schüttet die Gold-
stücke auf den Tisch.

Ein ganzer Haufen Gold glänzt und gleisst endlich mit un-
endlich verlockender Pracht in all diese Armuth hinein.

Unwillkürlich denken die Beamten, deren Pflicht es ist, in der
nächsten Minute diese Illusion zu zerstören, wie glücklich diese armen,
verlassenen Kinder gemacht werden könnten, wenn dieser Reichthum
wirklich ihr Eigenthum wäre, dann aber thun sie unerbittlich ihre
Pflicht.

Der Arzt stellt sich dem unglücklichen »König des Goldes« als
Minister vor und ersucht Seine Majestät unterthänigst, einen Wagen
vorfahren zu lassen, um in seiner Begleitung nach dem königlichen
Schlosse zu fahren.

Der Polizeicommissär folgt dem hohen, gnädigst auf Alles ein-
gehenden Herrscher als Schatzmeister, den Schatz sorglich in einer
Ledertasche bewahrend.

Nur der ehemalige Vorgesetzte Langes, der Bankdirector, bleibt
zurück.

Er theilt den erwachsenen Kindern mit, dass der Vater einer
Anstalt zugeführt werde. Dann macht er die drei ältesten darauf auf-
merksam, dass sie von nun an für sich selbst sorgen müssen. Nur den
drei jüngsten Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren kann er die
Fürsorge der Gemeinde-Armenverwaltung versprechen.


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 6, S. 210, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-06_n0210.html)