Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 243
Text
dann erlöschen, wenn mein armes Herz aufgehört haben wird, zu
schlagen. (Lacht mit Thränen.) Und du schämst dich gar nicht? Ich bin
artig, bin ein treues Frauchen, habe mich eingeschlossen und werde
dir bis ans Grab treu bleiben, du aber und du schämst dich gar
nicht, Kleiner? Warst mir untreu, warst aufbrausend, liessest mich
wochenlang allein
Frau Popowa und Lukas.
Lukas (tritt ein, aufgeregt). Gnädige Frau, Jemand fragt nach
Ihnen, möchte Sie sehen
Frau Popowa. Aber du hast doch gesagt, dass ich seit dem
Tode meines Mannes Niemand empfange?
Lukas. Ja wohl, er achtete aber gar nicht darauf, er sagte, er
komme in einer wichtigen Angelegenheit.
Frau Popowa. Ich em—pfan—ge nicht!
Lukas. Ich hab’s ihm ja gesagt, aber das ist so ein Teufel
er schimpfte und trat mit Gewalt ins Zimmer er steht schon im
Speisezimmer
Frau Popowa (aufgebracht). Gut, ich bitte Welch grobe
Menschen!
(Lukas ab.)
Frau Popowa. Wie unerträglich sind doch die Menschen! Was
wollen sie von mir? Weshalb suchen sie mir meine Ruhe zu rauben?
(Seufzt.) Nein, allem Anschein nach werde ich mich gezwungen fühlen,
ins Kloster zu treten (Wird nachdenklich.) Ja, ins Kloster
Frau Popowa, Lukas und Smyrnow.
Smyrnow (eintretend, zu Lukas). Dummkopf, du liebst es, viel zu
schwatzen Esel! (Frau Popowa erblickend, sagt würdevoll.) Gnädige Frau,
habe die Ehre mich vorzustellen: Reservelieutenant, Gutsbesitzer Grigorji
Stepanowitsch Smyrnow. Bin genöthigt, Sie eines wichtigen Geschäftes
wegen zu belästigen
Frau Popowa (ohne die Hand zu reichen). Was wünschen Sie?
Smyrnow. Von Ihrem seligen Herrn Gemahl, mit dem ich die
Ehre hatte, bekannt zu sein, sind mir zwei Wechsel im Werthe von
tausendzweihundert Rubel ausgestellt worden. Da ich morgen Zinsen in
die Agrarbank zahlen muss, so möchte ich Sie, gnädige Frau, bitten,
mir das Geld heute einzuhändigen.
Frau Popowa. Tausendzweihund... Wofür blieb Ihnen mein
Mann schuldig?
Smyrnow. Er kaufte bei mir Hafer.
Frau Popowa (seufzend, zu Lukas). Lukas, vergiss also nicht zu
sagen, dass man dem Tobby ein Mass Hafer mehr geben soll. (Lukas
ab. Zu Smyrnow.) Wenn Nicolaus Iwanowitsch Ihnen schuldig blieb, so
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 243, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-07_n0243.html)