Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 244

Der Bär (Tschechow, Anton)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 244

Text

244 TSCHECHOW.

werde ich selbstverständlich zahlen; ich bitte aber um Entschuldigung,
da ich heute kein Geld habe. Uebermorgen kommt mein Verwalter
aus der Stadt zurück, und ich werde ihm sagen, er soll Ihnen die
nöthige Summe auszahlen, vorderhand aber kann ich Ihren Wunsch
nicht erfüllen Ueberdies sind es heute gerade sieben Monate, dass
mein Mann todt ist, und meine Stimmung ist derart, dass ich keine
Lust verspüre, mich mit Geldgeschäften abzugeben.

Smyrnow. Und meine Stimmung ist derart, dass, wenn ich
morgen die Zinsen nicht einzahle, ich durch den Schornstein werde
’rausfliegen müssen. Man wird mein Gut pfänden!

Frau Popowa. Uebermorgen bekommen Sie das Geld.

Smyrnow. Ich habe es aber nicht übermorgen, sondern heute
nöthig.

Frau Popowa. Verzeihen Sie, heute habe ich keines.

Smyrnow. Bis übermorgen kann ich aber nicht warten.

Frau Popowa. Was soll ich aber thun, wenn ich augenblick-
lich kein Geld zu Hause habe!

Smyrnow. Sie können also nicht zahlen?

Frau Popowa. Nein

.

Smyrnow. Hm Ist das Ihr letztes Wort?

Frau Popowa. Ja, mein letztes.

Smyrnow. Ihr letztes? Entschieden?

Frau Popowa. Entschieden.

Smyrnow. Danke bestens. Ich werd’s mir merken. (Zuckt die
Achseln.) Und man verlangt noch, dass ich kaltblütig sein soll! Da be-
gegnet mir aber unterwegs ein Accisebeamter und fragt mich: »Warum
ärgern Sie sich immer, Grigorji Stepanowitsch?« Erbarmen Sie sich,
wie kann ich denn ruhig sein? Geld habe ich nothwendig nöthig
Gestern verliess ich mit Tagesanbruch mein Haus, besuchte alle meine
Schuldner, und dass wenigstens einer von ihnen seine Schuld bezahlt
hätte! Ich bin müde geworden, wie ein Hund, brachte die Nacht, Gott
weiss wo, zu — in einer Judenschenke neben einem Branntweinfass
Endlich komme ich hierher, habe 70 Werst zurückgelegt und hoffe,
Geld zu bekommen, man tischt mir aber eine »Stimmung« auf! Wie
soll ich da nicht ärgerlich sein?

Frau Popowa. Ich sagte Ihnen doch klar und deutlich, dass
Sie das Geld bekommen werden, sobald der Verwalter aus der Stadt
zurückkehrt.

Smyrnow. Ich komme nicht zum Verwalter, sondern zu Ihnen.
Was zum Teufel soll mir der Verwalter?

Frau Popowa. Verzeihen Sie, geehrter Herr, mein Ohr ist
weder an solch einen Ton, noch an solche Ausdrücke gewöhnt. Ich
will Sie nicht mehr anhören. (Geht schnell ab.)

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 244, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-07_n0244.html)