Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 245

Der Bär (Tschechow, Anton)

Zum TEI/XML Dokument

Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 245

Text

DER BÄR. 245 V.

Smyrnow (allein).

Smyrnow. Sagen Sie ’mal! Stimmung Vor sieben Monaten
ist der Mann gestorben! Muss ich aber Zinsen zahlen oder nicht? —
Ich frage: muss ich zahlen oder nicht? Nun ja, der Mann ist todt,
da kommt die Stimmung und allerhand Hokuspokus Der Verwalter,
dass ihn der Teufel hole, ist verreist, aber was soll ich denn thun?
Soll ich auf einen Luftballon den Gläubigern entfliehen? Oder soll ich
mir den Kopf einrennen? Grusdew war nicht zu Hause, Jaroschewitsch
hat sich versteckt, mit Kurytzin habe ich mich verzankt und hätte ihn
beinahe durchs Fenster geworfen, Masutow hat die Cholerina, und
diese da kommt mir mit ihrer Stimmung. Keine einzige Canaille will
zahlen! Das kommt daher, weil ich sie zu sehr verwöhnte, weil ich
ein Waschlappen, ein altes Weib bin! Ich war zu zartfühlend! Aber
wartet nur! Ihr sollt mich schon kennen lernen! Ich werde nicht ge-
statten, mit mir Spass zu treiben, hol’ euch der Teufel! Ich bleibe
hier und gehe nicht eher weg, als bis sie bezahlt haben wird! Hu!
Wie böse ich heute bin, wie böse! Vor Wuth zittere ich förmlich, und
der Athem stockt Pfui, mein Gott, es wird mir sogar übel! (Schreit.)
Diener!

VI.

Smyrnow und Lukas.

Lukas (eintretend). Was wünschen Sie?

Smyrnow. Gib mir Kwas oder Wasser!

(Lukas ab.)

Smyrnow. Nein, wie gefällt Ihnen diese Logik! Man hat das
Geld nothwendig nöthig, man möchte sich vor Verzweiflung erhängen,
sie aber will nicht zahlen, weil sie keine Lust hat, sich mit Geld-
geschäften abzugeben! Das ist eine echte Weiberlogik, eine Tournüre-
logik! Darum eben war und ist es mir unerträglich, mit Weibern zu
reden. Mir wäre es viel leichter, auf einem Pulverfass zu sitzen, als
mit einer Frau zu reden. Hu! Mich überläuft es sogar eiskalt —
so sehr hat mich diese Tournüre aufgebracht! Erblicke ich solche
poetische Geschöpfe auch nur aus der Ferne, so bekomme ich vor
Wuth Wadenkrämpfe. Es ist geradezu Gewalt zu schreien.

VII.

Smyrnow und Lukas.

Lukas (tritt ein und reicht Wasser). Die gnädige Frau ist krank
und empfängt nicht.

Smyrnow. Hinaus!

(Lukas ab.)

Smyrnow. Ist krank und empfängt nicht! Ist auch gar nicht
nöthig, mag sie nicht empfangen Ich bleibe hier und werde so lange

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 245, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-07_n0245.html)