Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 246

Der Bär (Tschechow, Anton)

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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 246

Text

246 TSCHECHOW.

da sitzen, bis du das Geld hergibst! Wirst du eine Woche krank
sein, so bleibe ich eine Woche hier Wirst du ein Jahr krank sein,
so werde ich ein Jahr warten Ich werde meinen Willen schon durch-
setzen! Mit Trauerkleidern und Wangengrübchen ist mir nicht beizu-
kommen Darin bin ich sehr erfahren! (Ruft durch’s Fenster.) Sjemion,
spanne aus! Wir werden nicht sobald von hier wegfahren! Ich bleibe
hier! Sage dem Stallknecht er soll den Pferden Hafer geben! Du
Vieh, wieder hat das linke Seitenpferd sich in den Lenkriemen ver-
wickelt. (Neckt ihn.) Thut nichts Ich werd’s dir schon eintränken —
thut nichts I (Geht vom Fenster weg.) Schlimm... die Hitze ist unerträglich,
Geld gibt Keiner her, in der Nacht habe ich schlecht geschlafen und
da kommt noch diese Trauerschleppe mit ihrer Stimmung Kopf-
weh Soll ich nicht ein Gläschen Schnaps trinken? Ja, das werde
ich (ruft) Diener!

Lukas (eintretend). Was wünschen Sie?

Smyrnow. Hole mir ein Gläschen Schnaps!

(Lukas ab.)

Smyrnow. Pf! (Setzt sich und beschaut seine Kleidung.) Na, bin aber
in schöner Verfassung! Ganz bestaubt, in schmutzigen Stiefeln, unge-
waschen, ungekämmt und Stroh auf der Weste! Die Dame hielt
mich vielleicht für einen Räuber. (Gähnt.) Es war ein wenig grob, in
solchem Zustande ins Gastzimmer zu treten, na, thut aber nichts
ich kam ja nicht als Gast, sondern als Gläubiger, und die richten sich
nicht nach der Mode

Lukas (tritt ein, reicht den Schnaps). Sie nehmen sich aber zu viel
Freiheit, gnädiger Herr

Smyrnow (ärgerlich). Was?

Lukas. Ich ich ich wollte nur

Smyrnow. Weisst du auch, mit wem du redest?! Halt’s Maul!

Lukas (beiseite). Da hat sich dieser Teufel auf unseren Nacken
gesetzt Was, zum Henker, brachte ihn hieher?

(Lukas ab.)

Smyrnow. Ach, wie ich böse bin! So böse, dass ich die ganze
Welt zermalmen könnte Mir wird sogar übel (Ruft.) Diener!

VIII.

Frau Popowa und Smyrnow.

Frau Popowa (tritt mit gesenkten Augen ein). Geehrter Herr, in
meiner Einsamkeit habe ich mich von Menschenstimmen entwöhnt und
vertrage kein Geschrei. Ich bitte Sie dringend, mich in meiner Ruhe
nicht zu beeinträchtigen!

Smyrnow. Geben Sie mir mein Geld, und ich werde sofort ab-
reisen.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 246, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-07_n0246.html)