Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 276
Text
Möbeln — was thun dann die Tischler? Auch wir sind dafür, dass
minderwerthige Genüsse mit besseren Bedürfnissen vertauscht werden,
aber das ist doch etwas Anderes als das reine Sparen. Immerhin rathen
wir auch dieses dem Arbeiter und Handwerker, falls er dazu imstande
ist, da bei seiner Lage ein kleiner Hintergrund von Geld bisweilen die
Erhaltung der Familie bedeuten kann. Nun aber sehen wir, dass nicht
da, wo es fehlt, sondern da, wo der Reichthum liegt, am meisten ge-
spart wird. Dort sind die zurückgelegten Nothpfennige so gehäuft, dass
sie zur Gefahr für das wirthschaftliche Leben der Gesammtheit werden.«
Gewiss macht übertriebener Luxus die Gegensätze schärfer, er-
weckt Neid und Hass, aber auch er befruchtet immerhin die Gesammt-
wirthschaft; gewiss ist »die Verschwendung nur die unterste Stufe der
Verwendung«; aber auch um grosse Summen auszugeben, ist nicht
gerade ein unsinniger Luxus, eine eigentliche Verschwendung noth-
wendig. Es liesse sich darüber wohl manches Capitel schreiben. Hier
galt es zunächst nur, festzustellen, dass die Sparsamkeit in unserer Zeit,
unter unseren Wirthschaftsverhältnissen weder als Universalmittel, noch
überhaupt als eines der obersten Wirthschaftsprincipien ausgegeben
werden darf. An gewisser Stelle und in gewissem Umfange ist sie nicht
nur berechtigt, sondern nothwendig; was aber über das Mass hinaus-
geht, ist unwirthschaftlich, ist vom Uebel wie der Geiz; dieses über-
schüssige Geld fördert die Ueberproduction und die Unterconsumtion
zu gleicher Zeit, es macht das Missverhältniss zwischen Production
und Consumtion nur ärger. In diesem Sinne ist das vielgepriesene
Allheilmittel Sparsamkeit, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, ein
überwundenes Wirthschaftsprincip.
Man kann das Geld nicht besser anlegen, als indem man es
ausgibt — das Geld, das nicht ausgegeben wird, hat seinen Beruf
verfehlt.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 7, S. 276, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-07_n0276.html)