Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 9, S. 356
Text
Mensches, Menschen aus einem Guss; Menschen, die nicht, je nach
der Rolle, die sie in der nächsten Stunde spielen werden: ob Gatte
oder Beamter, ob Freund oder Volksvertreter, ob Vater oder Kirchling,
ob Wohlthätigkeitbeflissener oder Aufsichtsrath, ob Wissenschaftler
oder Gutsherr, einen anderen inneren Menschen zeigen. Wir brauchen
gradsinnige und gradeaus denkende Menschen; brauchen Menschen,
die jedes Mittel, das seinem Wesen nach dem nicht entspricht, was
uns rein, gerecht, edel, schön, also ideal erscheint, nicht nur innerlich
verachten, sondern auch wirklich unangewendet lassen. Wir brauchen
Menschen — Männer und Frauen — »ohne alle Opportunitäten«. In
diesem Sinne Idealist sein, hat nicht nur inneren Werth für den
Idealisten selbst; es ist auch vernünftig, es ist sogar »klug«, dem
Opportunismus zu entsagen; man kommt ohne diesen hässlichen Ballast
weiter; man sichert sich dadurch den Anschluss an Diejenigen, die
durch ihre Gesinnung den Charakter des neuen Jahrhunderts bestimmen
werden.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 9, S. 356, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-01-09_n0356.html)