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vierte Semester treten, sich auf
das Studium des wissenschaftlichen
Socialismus werfen. Aber es wäre
schade, wenn dieser Bildungsweg
von vornherein das Fatum des
Juristen werden müsste. Eine be-
sonders reichliche Ernte für die
Wissenschaft ist dabei kaum zu
erhoffen, dafür aber ist zu be-
fürchten, dass die jungen Leute
sich in diesem Stadium ein paar
Wendungen des ökonomisch-skep-
tischen Materialismus aneignen,
womit sie dann zeitlebens hantiren
und also die zweifellosen Lösungen
aller Probleme des Lebens in
einer Taschenausgabe von Carl
Kautsky bei sich herumtragen. Der
deutsche Student, speciell der so-
cialistische, ist zu fleissig. Man
würde wünschen, dass er —
ebenso wie der Pariser Student —
ein oder zwei Jahre bummelt.
Das will nicht heissen: Lungere
herum in Kaffeehäusern, vertiefe dich
in Literatenklatsch, sondern: Lerne
dich selbst ein bischen kennen,
bevor du einen bestimmten Lebens-
weg einschlägst. Halte in deinem
Vorwärtskommen einen Moment
inne! Sei eine Zeitlang nicht »ziel-
bewusst«! Dilettire in hundert
Dingen, damit du in dir erfährst,
in welcher Richtung du mehr als
ein Dilettant sein möchtest! Sieh
dich im Leben ein wenig um,
bevor du dich in deiner Wissen-
schaft umschaust. — Ich glaube,
dass der Pariser Student in seinen
ersten zwei Universitätsjahren,
während er communistisch, lieder-
lich, unökonomisch lebt, mehr lernt
an Lebensweisheit als in allen
vorhergehenden Schuljahren und —
in allen kommenden Berufsjahren.
Dem modernen Menschen fehlt
durchaus nicht die Anlage zur
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»Wissenschaftlichkeit«. Welcher
temperamentlose, mittelmässige
Geist hätte diese Anlage nicht?
Was man einem jungen Menschen
geben soll zu seiner Entfaltung,
das ist: Muth zu eigenen Er-
fahrungen, eine gewisse innere
Beherztheit, welche den Menschen
in die Lage versetzt, freimüthig,
so unverfälscht als möglich, seine
Wahrnehmungen herauszusagen. —
Das wird dann keine Erziehung
zu kurzsichtigen Fachmenschen
sein, zu jenen entsetzlich öden
Gestalten, die morgen wie Ibsen’s
Dr. Tesman über »persische Haus-
industrie« oder die »Lage des
Bäckergewerbes im XVII. Jahr-
hundert« ihre Lebensarbeit liefern
werden, aber es wird die Er-
ziehung von Leuten sein, die wie
Eilert Lövborg ein heroisches
Gefühl des Lebens gewonnen haben
und es nicht mehr verlieren werden.
Die sind uns werthvoller als alle
wissenschaftlichen Mittelmässig-
keiten aller Zeiten.
st. gr.
Wenn die Zeitungsschrei-
ber symbolistisch werden. In
einer neuen österreichischen Wochen-
schrift (ohne grünen Umschlag)
schreiben ein paar Wiener Jour-
nalisten. Sie fühlen sich verpflichtet
— weil sie nicht mehr für eine
Tageszeitung, sondern für ein
Wochenblatt arbeiten — philoso-
phisch und symbolistisch zu werden.
Was dabei für bombastisch auf-
gedonnerter Cretinismus heraus-
kommt, sei an einigen rasch ge-
wählten Beispielen gezeigt. Die
Rédaction schrieb officiell: »Wir
treten ein für das Recht der Per-
sönlichkeit, die mit gewaltigem
Hammer des Willens das
Leben schmiedet« (pag. 124).
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