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BÜCHER.
Erlebnisse mit Richard
Wagner, Franz Liszt und vielen
andern Zeitgenossen vonWen-
delin Weissheimer (Stuttgart,
Deutsche Verlagsanstalt), ist der
Titel eines Buches, das uns mit
allerlei interessanten und lebendigen
Zügen der Persönlichkeiten bekannt
macht, mit denen der Verfasser
das Glück hatte, in Berührung zu
kommen. Freilich — solche Er-
zählungen werden ungewollt stets
zu verrätherischen Charakteri-
sirungen des Verfassers, selbst wenn
dieser — was von Herrn Weiss-
heimer sicher nicht behauptet
werden kann — die Absicht haben
sollte, sich bescheiden im Hinter-
grund zu halten. Aus den Partien
des Buches, deren Mittheilungen ich
als Augenzeuge auf ihre Richtig-
keit zu prüfen im Stande bin, er-
gibt sich, abgesehen von einigen Irr-
thümern, dass Herr Weissheimer
ein leidlich verlässliches Gedächtnis
besitzt und wahrheitsgetreu zu be-
richten gewillt ist. Aber das Ge-
fährliche der Absicht, im Schatten
Grosser selbst als Licht leuchten
zu wollen, scheint ihm verborgen
zu sein. Die Gabe der Eitelkeit,
deren er sich in hohem Grade
erfreut, trennt ihn von dieser
wünschenswerten Erkenntnis. Sie
wirkt wie ein minimaler Tropfen
einer scharfen Essenz, die, hinein-
gegossen, den besten Trunk unge-
niessbar macht. Seinen Mit-
theilungen über die Geschicke
Richard Wagners, die Entstehung
der »Meistersinger«, dem bedrängten
Leben des Meisters vor dessen
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Einholung nach München, den
Aufführungen der »Faustsymphonie«
von Liszt und dessen folgenreichem
Wirken in Weimar, über sein
Zusammentreffen mit Lassalle und
seine Werke, versäumt Herr
Weissheimer niemals, als Ein-
schlag einen Bericht über die
eigenen Triumphe einzuweben,
die er mit dem Vorspielen seiner
seit mehr als dreissig Jahren ihre
Weltberühmtheit erwartenden Oper
»Theodor Körner« (schreckliche
Dichtung der schrecklichen Roman-
schriftstellerin Luise Otto), verein-
zelter Aufführungen seiner Ballade
»Das Grab am Busento« und ein-
zelner Lieder errungen haben will.
Zweitausend und einige Thaler, die
der Vater Weissheimers in sehr
bedrängter Zeit Wagnern vor-
schussweise zur Verfügung stellte,
sollen schliesslich die Weige-
rung des Meisters, den von ihm
als durchaus verfehlt erkannten
»Theodor Körner« der Münchner
Hofbühne zur Aufführung zu
octroyieren, deutlich als einen Zug
von »Undankbarkeit« erscheinen
lassen. Also Wagner hätte ange-
sichts seiner prekären Stellung in
München, um seine Dankbarkeit
Herrn Weissheimer gegenüber
genügend an den Tag zu legen,
offenen Nepotismus treiben und
den Glauben anderer an Werke
verlangen sollen, an die er selbst
nicht glaubte. Dummerweise ist
von Wagner »Bescheidenheit«
verlangt worden. Aber sehr ge-
rechtfertigterweise dürfen wir
solche von Wendelin Weissheimer
verlangen.
G. S.
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